Karl F. litt unter steigender Atemnot. Gerade bei einer Steigung fiel ihm das Gehen immer schwerer: „Bei Hitze war sogar ein kleiner Anstieg zu viel.“ Denn seine Herzklappe zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer war undicht, da die drei Klappensegel sich nicht mehr richtig schlossen. So floss Blut über den rechten Vorhof zurück in seinen Körperkreislauf. Dabei ist die Trikuspidalklappe nicht seltener von einer Insuffizienz betroffen als die entsprechende Mitralklappe in der linken Herzhälfte. Neben Luftnot sind hier übliche Symptome Abgeschlagenheit und Nierenschädigung sowie Wasseransammlungen insbesondere auch im Bauchraum, die mit einer Schädigung der Leber einhergehen. „Diese Symptome der Patienten sind kaum medikamentös behandelbar. Zudem wird eine isolierte Trikuspidalklappen-Insuffizienz aufgrund der hohen Sterblichkeit von bis zu 20 Prozent sehr selten am offenen Herzen operiert“, erklärt Prof. Dr. Georg Nickenig, Direktor der Medizinischen Klinik II am Universitätsklinikum Bonn.
Auch Neuland für den Profi
„Doch jetzt haben wir erstmals die Möglichkeit, auch diese Herzklappe wie die anderen drei mittels Katheter ganz ohne Operation zu reparieren“, sagt Prof. Nickenig, der Studienleiter einer dazu weltweit durchgeführten Studie ist, an der in Europa neben Bonn fünf weitere führende Zentren beteiligt sind. Sogar für die Bonner Spezialisten, die sich bereits seit Jahren intensiv mit Katheter-basierten Eingriffen beschäftigen und mehrfach an Einführungen neuer Techniken beteiligt waren, ist die bisher kaum beachtete Triskuspidalklappe eine Herausforderung. Mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall und Computer-Tomographie war die Herzklappe erst einmal auf dem Monitor vernünftig darzustellen. „Auch ist es schwierig, sich in diesem Bereich mit dem Katheter zu bewegen. Das mussten wir von Null auf lernen“, sagt Prof. Nickenig.
Die Prozedur kennt das erfahrene Team um Prof. Nickenig gut. Denn ein so genanntes Cardioband haben die Bonner seit dessen Einführung 30 Mal an der Mitralklappe von weltweit 70 Patienten in den letzten zwei Jahren erfolgreich implantiert. Die Bonner Premiere an der Trikuspidalklappe besprach das Team im Vorfeld intensiv und plante den Eingriff genau. Das Herz von Karl F. wurde in alle drei Raumrichtungen exakt vermessen. „Denn das Knifflige dabei ist, das künstliche Band auf den Punkt zu platzieren und im Bindegewebe des Trikuspidalklappenrings zu befestigen“, betont Prof. Nickenig.
Millimeter genaue Anpassung des künstlichen Klappenrings
Dazu führen er und sein Team mittels einer speziellen, von israelischen Ingenieuren entwickelten Katheter-Vorrichtung das Cardioband aus Kunststoff von der Leistenvene her bis zur Herzklappe. Am Trikuspidalklappenring angekommen befestigen die Bonner Uni-Kardiologen das Band mit etwa zehn kleinen Schrauben in Form eines Halbmondes im Bindegewebe. Dann ziehen sie an einem Draht, der wir eine Wäscheleine um das Band gewunden ist und verkleinern so die Öffnung der Herzklappe bis sich die Klappensegel wieder treffen. „Im Unterschied zum chirurgischen Eingriff am schlagenden Herzen können wir dabei die Größe des Cardiobandes auf den Millimeter genau einstellen“, erklärt Prof. Nickenig. Dann verankern die Kardiologen die Enden und der künstliche Klappenring wächst mit der Zeit ein.
In Bonn profitierten bisher sechs Patienten von der neuen schonenden Alternative zur Operation an der Trikuspidalklappe. Die Ergebnisse sind gut und die Patienten erholten sich schnell „In den Eingriff bin ich ganz entspannt gegangen, denn ich habe Vertrauen in das Team um Prof. Nickenig“, sagt Karl F., der froh ist, sich auf die Bonner Premiere eingelassen zu haben. Denn er kann wieder seine Spaziergänge genießen und er hat sogar wieder sein Rudergerät aufgestellt: „Ich trainiere jetzt jeden Tag zehn Minuten.“
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Georg Nickenig
Direktor der Medizinischen Klinik II
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-15217
E-Mail: georg.nickenig@ukb.uni-bonn.de