Die Hauptzugroute des Homo sapiens verlief nach Norden über die sogenannte Levante, dem östlichen Küstenstreifen und Hinterland des Mittelmeers. Im nördlichen Teil verzweigte sich die Wanderung nach Europa und nach Asien. „Im Gebiet des heutigen nördlichen Israels gab es eine Art Flaschenhals“, berichtet Prof. Dr. Thomas Litt vom Steinmann-Institut der Universität Bonn. Wie archäologische Funde dokumentieren, stockte an diesem Engpass entlang des Jordangrabens vor rund 100.000 Jahren die Weiterwanderung des modernen Menschen. War hierfür eine Klimaverschlechterung mit zunehmender Trockenheit verantwortlich?
Der Paläobotaniker kommt nach umfangreichen Bohrungen im Toten Meer und Analysen der darin befindlichen Pollen zu einem ganz anderen Schluss: Vor rund 90.000 bis 130.000 Jahren befand sich weiter nördlich im heutigen westlichen Syrien und Libanon ein undurchdringlicher Urwald, den der Homo sapiens mied. Prof. Litt: „Die Menschen jagten Wild als ihre Lebensgrundlage – und das fanden sie vor allem in Steppenlandschaften.“
Südlich des „Flaschenhalses“ in Israel und Jordanien waren solche offenen Landschaften mit Gräsern, Steppen-Beifuß und einzelnen Baumgruppen verbreitet, wie das Team um den Paläobotaniker herausfand. Prof. Litt: „Die Bedingungen waren für die Wildjagd ideal.“ Der undurchdringliche Wald weiter nördlich muss den Menschen weit weniger paradiesisch erschienen sein. Er wirkte wie eine Barriere.
Erst vor 50.000 bis 60.000 Jahren wurde das Klima im ostmediterranen Raum deutlich trockener, der Wald im Norden verschwand und die Steppe im heutigen Israel und Jordanien dehnte sich dann über die gesamte Levante aus. Ab diesem Zeitraum setzte die Weiterwanderung nach Norden ein, wie sich auch anhand von datierten Homo sapiens-Skeletten in Höhlen und weiteren Funden belegen lässt.
Diese Erkenntnisse gehen auf den Sonderforschungsbereich (SFB) 806 „Unser Weg nach Europa“ zurück, der die Ausbreitung des Homo sapiens von Afrika aus bis zu seiner Sesshaftwerdung in Zentraleuropa untersucht. Unter Federführung der Universität Köln sind auch Wissenschaftler aus Bonn und Aachen beteiligt. Prof. Litt aus der Paläobotanik und Prof. Andreas Hense vom Meteorologischen Institut der Universität Bonn leiten ein SFB-Teilprojekt, das der Frage nachgeht, unter welchen ökologischen und klimatischen Bedingungen im östlichen Mittelmeergebiet die Verbreitung des modernen Menschen von Afrika aus erfolgen konnte.
Ein ausführlicher Bericht ist im Magazin „forsch“ der Universität Bonn auf den Seiten 14 und 15 zu finden: https://www.uni-bonn.de/die-universitaet/publikationen/forsch/e-forsch/november-2016
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Thomas Litt
Steinmann-Institut
Paläobotanik
Universität Bonn
Tel. 0228/732736
E-Mail: t.litt@uni-bonn.de