„Viele Tiere zeigen Wachstumslinien in ihren Knochen, solange sie an Größe zulegen - ähnlich wie Jahresringe in einem Baumstamm“, berichtet die Paläontologin Jessica Mitchell vom Steinmann-Institut der Universität Bonn. Irgendwann jedoch stoppt das Wachstum und die Knochen beginnen zu altern. Dann sorgen regelmäßige Reparaturprozesse für die Erneuerung der Knochensubstanz. Diese Regenerationszonen im Knochen (Osteone) sind so klein, dass sie nur mit einem Mikroskop entdeckt werden können.
Bei erwachsenen Dinosauriern ist der Knochen derart umgebaut, dass die Wachstumslinien vollkommen verschwunden sind. Stattdessen sind Reparaturstrukturen in den Knochen erkennbar, die sich je nach Alter gegenseitig überlagern. „Wir können bei Tieren mit fortgeschrittenem Alter mehrere Generationen von Osteonen in den Knochen sehen“, sagt Jessica Mitchell. „Unser Forschungsziel war zu untersuchen, ob sich diese Reparaturstrukturen auch als Anzeiger für das Alter nutzen lassen.“ Das Forscher-Team verglich dabei unterschiedlich große Knochen von 79 Exemplaren unterschiedlicher Langhalssaurier, die von jung bis alt eine Serie verschiedener Altersstadien darstellen: Während der Knochen eines Teenagers wenige Reparaturstrukturen aufweist, ist der eines Greises vollständig umgebaut.
Vor allem anhand der Knochenlänge können die Forscher grob abschätzen, ob es sich um junge oder ausgewachsene Tiere handelt. Welcher von zwei erwachsenen Dinosauriern hat ein höheres Lebensalter erreicht? Diese Frage lässt sich mit der Knochenstrukturanalyse beantworten. Dafür benötigen die Forscher nur eine kleine Probe aus den versteinerten Knochen: Dieser Bohrkern wird geschliffen und poliert, bis nur noch ein kleines, durchscheinendes Plättchen davon übrig bleibt. Unter dem Lichtmikroskop lassen sich dann die Knochenplättchen untersuchen und die interessanten Strukturen vermessen.
Knochenreparatur in Dinosauriern und Menschen ist ähnlich
Im Inneren sind die Knochen von alternden Dinosauriern denen von uns Menschen sehr ähnlich: Die Reparaturprozesse in Dinosauriern, Menschen und anderen Wirbeltieren laufen nach dem gleichen Schema ab. „Dieser Prozess geschieht fortwährend in uns Menschen und sorgt dafür, dass wir etwa alle zehn Jahre ein neues Skelett haben“, betont die Paläontologin. In der Forensik oder Anthropologie werden ebenfalls Knochen untersucht, um das Alter von menschlichen Leichen zu bestimmen. Die Knochenanalyse half auch, bei der über 5000 Jahre alten Gletschermumie „Ötzi“ das Lebensalter von etwa 45 Jahren zu bestimmen.
Knochen scheinen nicht so aktive Organe zu sein, wie zum Beispiel Herz oder Lunge, aber sie sind viel mehr als nur die harten Bestandteile im Inneren unseres Körpers. Knochen erhalten Blutgefäße für die Versorgung mit Nährstoffen und Knochenzellen, die untereinander signalisieren, dass eine Reparatur notwendig ist. Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass die Zahl der Osteon-Generationen, die sich nach und nach zur Regeneration der Knochen gebildet haben, einen wichtigen Hinweis gibt, ob es sich vergleichsweise um ein jüngeres oder älteres Tier gehandelt haben muss.
Viel Potential in ausgestorbenen Tieren
„Mit dieser Methode ist allerdings eine absolute Datierung in Lebensjahren noch nicht möglich“, sagt Mitchell. Eine Ausweitung der Studie mit mehr Dinosaurierknochen könnte die Trefferquote weiter verbessern. Ein weiterer künftiger Ansatz ist, die Knochenstrukturen der Dinosaurier mit Wirbeltieren zu vergleichen, deren Alter bekannt ist. Diese Verknüpfung könnte vielleicht auch konkretere Altersangaben für Dinosaurier ermöglichen.
Publikation: Jessica Mitchell, P. Martin Sander und Koen Stein: Can secondary osteons be used as ontogenetic indicators in sauropods? Extending the histological ontogenetic stages into senescence. Paleobiology. DOI: 10.1017/pab.2016.47.
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Jessica Mitchell
Steinmann-Institut
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