Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW Isabel Pfeiffer-Poensgen, die Kulturstiftung der Länder, vertreten durch den kommissarischen Generalsekretär Professor Dr. Frank Druffner, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, vertreten durch die Vorsitzende Professorin Dr. Dr. h.c. Ursula Gather, und der Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, Professor Dr. Dr. h.c. Michael Hoch, übergeben die historische Rechenmaschine von Charles Xavier Thomas (1785 – 1870) für Zar Nikolaus I. an das Arithmeum. Ministerin Pfeiffer-Poensgen und die fördernden Stiftungen stellen das sehr seltene Exemplar am 25. Oktober um 16 Uhr im Arithmeum vor. Musikalisch prägt den Festakt zur Übergabe der besonderen Rechenmaschine der Trompeter Markus Stockhausen mit einer „Fanfare auf Charles Xavier Thomas“ und „Improvisationen über die Kunst des Rechnens“.
Französische Privatsammlung
Im Frühjahr 2017 tauchte eine bis dahin über nahezu vier Jahrzehnte in einer französischen Privatsammlung bewahrte Rechenmaschine auf dem Markt auf. Auf der Innenseite des Deckels dieses prunkvoll gestalteten Holzkastens steht die Inschrift „A sa Majesté Nicolas I.- Empereur de toutes les Russies - Hommage respectueux de l'inventeur“.
Von ihrem Erbauer, dem wohlhabenden Besitzer der Insurance de Soleil Charles Xavier Thomas waren bis 1851 nur wenige Rechenmaschinen gefertigt worden. Nachdem er 1820 das erste Patent für eine Rechenmaschine für alle vier Grundrechenarten angemeldet hatte, nahm ihn die Gründung seiner Versicherungsgesellschaft, einer der ersten und erfolgreichsten in Frankreich, nahezu 30 Jahre lang so in Beschlag, dass er erst um 1850 mit Verbesserungen und Ideen für eine serielle Fertigung des Arithmomètre begann. Thomas, der ein sehr fähiger Geschäftsmann war, hat seine Rechenmaschinenerfindung auf der Weltausstellung 1851 erstmals einer weiten Öffentlichkeit präsentiert.
Herrschaftshäuser überzeugen
Thomas' Ziel war es, die erste Serienfertigung von Rechenmaschinen zu begründen. Zur besseren Vermarktung seiner Rechenmaschine beschenkte er zunächst die Herrschaftshäuser seiner Zeit mit Dedikationsexemplaren. Er fertigte einige kleinere Exemplare mit nur fünf Stellen im Einstellwerk und zehn Stellen im Ergebniswerk an; nur für wenige ausgewählte Herrscher stellt er ausgesprochen prachtvolle, große Maschinen mit acht Stellen im Einstellwerk und 16 Stellen im Ergebniswerk her. Bekannt sind nur 3 Exemplare in dieser Ausführung, von denen neben dem Arithmomètre für Zar Nikolaus I. aber nur ein weiteres im Originalzustand erhalten ist, und zwar das Arithmomètre für Ferdinand II., König beider Sizilien, heute aufbewahrt im Schlossmuseum Caserta. Das Exemplar für Louis-Napoléon Bonaparte wurde wohl seiner Schatulle beraubt und ist nun in einem einfachen Kasten im Centre des Arts et Métiers in Paris zu besichtigen. Rechenmaschinen wurden damals noch nicht praktisch benutzt. Sie standen vornehmlich in den Wunderkammern der Potentaten und wurden wie Androiden bestaunt, weil sie eine genuin menschliche Fähigkeit, nämlich das Rechnen, mechanisch ausführen konnten. Charles Xavier Thomas wollte dies ändern.
Das Ziel: die Serienfertigung
Nur kurze Zeit nach seinen Dedikationsexemplaren und nach nur noch einem weiteren Entwurfsmodell kam er schließlich zu einer Konstruktion, die in Serie gefertigt werden konnte. Diese Maschinen rechneten exakt mit einer genialen Mechanik und einem vollfunktionsfähigen Zehnerübertrag. Sie waren einfach zu bedienen und äußerst robust. Ein Novum in der Geschichte des maschinellen Rechnens, das Vorbild für die erste deutsche Rechenmaschinenproduktion im 19. Jahrhundert in Glashütte wurde.
Restaurtierung im Arithmeum
Das Arithmométre für Zar Nikolaus I. wurde von Spezialisten im Arithmeum gründlichst restauriert. Verätzungen und kristalline Metallausblühungen wurden unter dem Mikroskop entfernt. Die alte Schellack-Lackierung konnte fast überall erhalten werden, so daß die Maschine nunmehr konserviert in einem optisch sehr guten und voll funktionstüchtigen Zustand präsentiert werden kann.
Die Rechenmaschine von Charles Xavier Thomas wurde erworben mit Mitteln
- der Kulturstiftung der Länder
- der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
- der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- der Stiftung Diskrete Mathematik / Arithmeum.
Rechnen einst und heute: das Arithmeum
Die Rechenmaschine von Thomas ist ein besonderes Glanzstück der Sammlung des Arithmeums, die der Direktor des Forschungsinstituts für Diskrete Mathematik, Professor Dr. Bernhard Korte, als Student gründete. Mit mehr als zehn Tausend Exponaten ist sie weltweit mit Abstand die umfassendste und vollständigste Sammlung historischer Recheninstrumente.
Das Arithmeum hat als Untertitel „Rechnen einst und heute“. Neben den historischen mechanischen Rechenmaschinen kann der Besucher in die Wunderwelt moderner höchstintegrierter Mikroprozessoren eintauchen. In einem neuen Schaudepot kann man die Geschichte früher Computer und PCs an funktionsfähigen Exponaten erleben. Das Arithmeum präsentiert auch die Konzertserie „concerto discreto“ sowie wechselnde Kunstausstellungen, die zum Gesamtkonzept und Charakter des Hauses passen.
Zur Zeit ist im Arithmeum die Ausstellung „De Stijl und die Nachfolge“ mit mehr als 50 Werken dieser Kunstrichtung noch bis Ende des Jahres zu sehen. Zusätzlich veranstaltet das Arithmeum auch Ausstellungen zu einzelnen Themengebieten der Sammlung, wie die kürzlich eröffnete Ausstellung „300 Jahre logarithmisches Rechnen in deutschen Landen“, die zahlreiche Leihgaben aus aller Welt präsentiert.
Weitergehende Informationen:
Professor Dr. Ina Prinz
Tel.: 0228-73-8770
http://www.arithmeum.uni-bonn.de