Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem kräftigen Aufschwung, der sich 2018 weiter fortsetzen dürfte. Die gute konjunkturelle Lage bietet die Chance, die Wirtschaftspolitik stärker auf die Herausforderungen der Zukunft auszurichten. Hierzu gehören eine solide Finanzpolitik und eine stärkere Priorisierung der Staatsausgaben in Richtung Infrastruktur, Bildung und Forschung. „Die neue Regierung sollte den Strukturwandel infolge der Globalisierung und Digitalisierung durch eine innovationsfreundliche Regulierung begleiten, statt ihn zu verhindern“, betont Prof. Schnabel. Hierbei kommt der Bildung und Weiterbildung eine entscheidende Rolle zu. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels muss das Arbeitskräftepotenzial stärker ausgeschöpft werden. Hier gehören Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein Einwanderungsgesetz zur Attrahierung qualifizierter Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten.
„Weiterentwicklung des Euro-Raums und der EU notwendig“
Der Sachverständigenrat betont, dass die Weiterentwicklung des Euro-Raums und der EU im Interesse Deutschlands liegen. Dies erfordert eine wohl austarierte Balance zwischen Eigenverantwortung und gemeinschaftlichem Handeln, was auch die Akzeptanz des europäischen Integrationsprozesses erhöhen dürfte. Die Einhaltung der Fiskalregeln könnte gestärkt werden, indem das fiskalische Regelwerk deutlich vereinfacht und unabhängig überwacht wird. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sollte um klare Regeln für die geordnete Restrukturierung von Staatsschulden im Krisenfall ergänzt werden. Fiskalische Ausgleichsmechanismen, wie eine gemeinsame Fiskalkapazität, sind hingegen nicht erforderlich. Gemeinschaftliche Anstrengungen auf EU-Ebene sind beispielsweise im Bereich der Asylpolitik, des Klimaschutzes, der Terrorismusbekämpfung sowie der Beschaffung in der Verteidigungspolitik wünschenswert.
„Weiterhin Lücken in der Finanzmarktregulierung“
Aus Sicht des Sachverständigenrates bestehen zehn Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise noch immer Lücken in der europäischen Finanzmarktaufsicht und -regulierung. Dies betrifft vor allem die Glaubwürdigkeit des neuen Abwicklungsregimes für Banken, den Abbau notleidender Kredite und die makroprudenzielle Regulierung, welche die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes sicherstellen soll. „Gleichzeitig steigen die Risiken im Finanzsystem infolge der lang anhaltenden Niedrigzinsphase weiter an“, sagt Prof. Schnabel. So betrachtet der Sachverständigenrat den Anstieg vieler Vermögenspreise ebenso mit Sorge wie die zunehmenden Zinsänderungsrisiken im Bankensektor. Denn die deutschen Banken vergeben Kredite mit immer längeren Zinsbindungsfristen, während die Refinanzierung immer kurzfristiger erfolgt. Angesichts der guten makroökonomischen Entwicklung und der steigenden Finanzstabilitätsrisiken solle die EZB die Anleihekäufe früher als angekündigt beenden.
Einschätzungen liefern Argumente für die politische Debatte
Der Sachverständigenrat spricht keine Empfehlungen aus, sondern zeigt Fehlentwicklungen auf und bewertet verschiedene Handlungsalternativen. Der Bundesregierung ist es selbst überlassen, ob sie sich den Einschätzungen des Sachverständigenrates anschließt oder nicht. Das Jahresgutachten liefert aber Argumente, die in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen eine besonders wichtige Rolle spielen dürften.
Vortrag beim Dies academicus
Beim nächsten öffentlichen Dies academicus am Mittwoch, 6. Dezember, skizziert Prof. Schnabel ab 18.15 Uhr in Hörsaal F im Juridicum die zentralen Inhalte des aktuellen Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Das Jahresgutachten im Internet: http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/jahresgutachten-2017-2018.html
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Isabel Schnabel
Institut für Finanzmarktökonomie und Statistik
Universität Bonn
Tel. 0228-739228
E-Mail: isabel.schnabel@uni-bonn.de