Blasen- oder Stuhlhaltestörungen sind für die meisten Menschen nach wie vor ein Tabu, doch dabei durchaus kein seltenes Problem. So gibt es bundesweit Millionen Betroffener, die unter unterschiedlichen Formen zu leiden haben. Sie sind in ihrem Alltagsleben stark beeinträchtigt, schweigen und bleiben mit ihren Beschwerden oft allein. Dabei ist es für Thomas Engels sehr wichtig, offen mit dem Thema umzugehen und mit den Patienten über die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten zu sprechen. „Inkontinenz zum Beispiel ist sehr häufig heilbar, mit Medikamenten oder auch operativ. In der urologischen Pflegetherapie geht es uns vor allem darum, zu entmystifizieren und zu enttabuisieren.“ Gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen kommt es auf besonderes Einfühlungsvermögen an: „Bei einer ambulanten urologischen Untersuchung muss ich oft deren Ängste überbrücken. Wir gehen behutsam auf die Kinder zu. Und wir machen dann auch nur das, was sie zu lassen“, beschreibt Engels seine Arbeit an der Klinik für Urologie und Kinderurologie des Universitätsklinikums Bonn.
Vom Zufallstreffer zum Traumberuf
Ein Vorbild bei seiner Berufswahl war für Thomas Engels seine Mutter, die als Krankenschwester gearbeitet hat. Bevor er sich seit 1999 am Universitätsklinikum Bonn auf die Urologie spezialisierte, hat er einige Jahre als Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivmedizin gearbeitet. „Eine spannende, sehr anspruchsvolle und fordernde Aufgabe, die nur leider kaum Zeit für die Familie lässt“, blickt Engels zurück, der Vater einer heute 21-jährigen Tochter ist. „Also habe ich mich nach etwas anderem umgesehen.“ Die Urologie war anfangs eher ein Zufallstreffer, wie Engels sich erinnert. „Doch mit der Zeit ist daraus mein Traumberuf geworden.“ 2008 schloss Engels seine Ausbildung zum Urotherapeuten mit einer Hausarbeit zur Standardisierung der Urodynamik ab. 2011 folgte die Qualifizierung im Kontinenztraining für Kinder und Jugendliche – ein Angebot, das inzwischen weit über die Grenzen Bonns hinaus bekannt und gefragt ist. Außerdem ist er Co-Autor des Buches „Störungen der Harnausscheidung. Diagnostik und Therapie in der Pflege“.
Vor zwei Jahren gründete Thomas Engels auf eigene Initiative den gemeinnützigen Verein „D-A-Ch – Vereinigung der Urotherapeuten 2015“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In diesem Netzwerk arbeiten Ärzte, Schwestern und Pfleger sowie Physiotherapeuten zusammen. „Was wir tun können, ist mit Tabus zu brechen, aufzuklären und den Patienten geeignete Behandlungen und Ansprechpartner zu empfehlen“, erklärt Engels die Zielsetzung des Vereins. Dessen Arbeit soll auf Dauer in eine Fachgesellschaft münden, um Studien zu initiieren und therapeutische Standards festzulegen.
Urotherapie braucht Standards
In Skandinavien, in Großbritannien und anderen europäischen Ländern sind Urodynamik und Urotherapie, bei der nur verhaltenstherapeutische, systemische und lösungsorientierte Elemente zum Einsatz kommen, seit mehr als 20 Jahren Standard. „In den deutschsprachigen Ländern besteht da noch Nachholbedarf“, zieht Engels Bilanz. Die Kontinenzschulungen für Kinder sind bei uns mittlerweile standardisiert.“ Die Urologische Ambulanz der Bonner Universitätsklinik bietet solche sechswöchigen Schulungen für Sechs- bis Zehnjährige in kleinen Gruppen bereits seit acht Jahren an. Grundlage ist, dass Inkontinenz bei Kindern und Jugendlichen keine Krankheit ist, sondern die Ursache dafür vielmehr eine Reifeverzögerung oder auch ein organisch bedingtes, fehlendes Körpergefühl ist, das man jedoch gezielt trainieren kann.
„Ein entsprechendes Angebot für Erwachsene müssen wir erst noch entwickeln. Da gibt es noch einiges zu tun“, blickt Engels voraus. Konkrete Pläne hat er dazu auch schon. „Ich möchte 2018 gern einen Beckenbodenkursus für Frauen und Männer einrichten und dafür die Trainer-Lizenz erwerben.“
Kontakt für die Medien:
Thomas Engels
Pflegeteamleiter der Urologische Ambulanz
Klinik für Urologie und Kinderurologie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-14280
E-Mail: thomas.engels@ukbonn.de