Bei Tieren ist es wie bei Menschen – Gesunde gehen Kranken eher aus dem Weg. In der Stichlings-Studie war aber das genaue Gegenteil der Fall. „Dieser Befund hat uns selbst überrascht“, erklärt Anna Rahn, die die Experimente am Institut für Evolutionsbiologie und Zooökologie der Universität Bonn geleitet hat.
Rahn hatte Stichlinge mit dem Parasiten Diplostomum infiziert, einem Wurm, der die Augenlinse von Fischen befällt. Dann hatte sie gesunde Tiere zwischen zwei Schwärmen wählen lassen – einem aus gesunden Fischen und einem, in dem die Hälfte der Tiere befallen war. Die Testfische entschieden sich signifikant häufiger für den kranken Schwarm.
Allerdings bestand für die Fische keine Ansteckungsgefahr: Diplostomum kann nicht direkt von einem kranken auf ein gesundes Tier übergehen. Dennoch ist dieses Ergebnis bemerkenswert.
Kranke Fische bedeutet schwächere Konkurrenz
Wenn sich Fische zu einem Schwarm zusammen finden, profitiert jeder von ihnen davon in mehrfacher Hinsicht: Da er nun nur einer unter vielen ist, sinkt sein individuelles Risiko, gefressen zu werden. Nach dem Motto „viele Augen sehen mehr als zwei“ wird er zudem früher vor drohenden Gefahren gewarnt. Aus demselben Grund bieten Schwärme Vorteile bei der Nahrungssuche – eine lohnende Mahlzeit entgeht ihnen nicht so leicht.
Zu diesen Vorteilen gesellen sich jedoch auch Nachteile: Um jede knappe Ressource, ob um Nahrung oder um Geschlechtspartner, buhlen zahlreiche Konkurrenten. Das ist möglicherweise auch der Grund, warum wurmbefallene Stichlinge bei ihren Artgenossen so beliebt sind: „Parasitenbefall geht meist zu Lasten der körperlichen Leistungsfähigkeit“, betont Rahn. „Infizierte Fische können sich daher eventuell im Kampf um Ressourcen seltener durchsetzen. Entsprechend mehr bliebe dann für die gesunden Schwarm-Partner.“
Ob diese Hypothese zutrifft, lässt sich anhand der Experimente allerdings nicht belegen. Testtiere mit Würmern zeigten darin zum Beispiel keine Gewichtseinbußen, obwohl sie etwa bei der Nahrungssuche aufgrund des getrübten Augenlichts eigentlich schlechtere Karten hatten.
Dass sich die Sehschwäche nicht spürbar auswirkte, kann aber auch an dem Nahrungsangebot gelegen haben: Die Biologen fütterten ihre Tiere mit roten Mückenlarven. Und die sind selbst für Fische mit schlechten Augen gut zu erkennen.
Publikation: Anna Rahn, Simon Vitt, Lisa Drolshagen, Jörn Scharsack, Ingolf Rick und Theo Bakker: Parasitic infection of the eye lens affects shoaling preferences in three-spined stickleback; Biological Journal of the Linnean Society; DOI: 10.1093/biolinnean/blx155
Kontakt für die Medien:
Anna Rahn
Institut für Institut für Evolutionsbiologie und Zooökologie
der Universität Bonn
Tel.: 0228/73-5750
E-Mail: arahn@evolution.uni-bonn.de