Ergebnisse eines Forscherteams der Universität zu Köln und der Universität Bonn erlauben jetzt neue Einblicke in die Wachstumsphase der noch jungen Erde vor mehr als 4.5 Milliarden Jahren. Man weiß schon länger, dass die Erde durch Kollision von Asteroiden zu ihrer heutigen Größe gewachsen ist. Die neue Studie legt jetzt nahe, dass bei solchen planetaren Kollisionen die Metallkerne der Asteroiden direkt mit dem Metallkern der jungen, noch flüssigen Erde verschmolzen sind. Dabei sind beträchtliche Mengen des seltenen Metalls Niob, das eigentlich komplett in der äußeren Silikathülle der Erde konzentriert sein müsste, verschwunden.
„Das fehlende Niob befindet sich im Metallkern der Erde, in einer Tiefe von mehr als 2900 Kilometern“, sagt der Geochemiker Prof. Dr. Carsten Münker aus Köln. „Wir wissen aber jetzt durch unsere Untersuchungen, dass es schon in den Asteroiden in deren Metallkern gewandert ist“, ergänzt sein Kollege Dr. Raul Fonseca aus Bonn. Die Ergebnisse des Forscherteams sind in der soeben erschienenen Ausgabe des internationalen Wissenschaftsmagazins „Nature Geoscience“ veröffentlicht.
Die frühe Entstehungsgeschichte der Erde vor rund 4.5 Milliarden Jahren ist bislang noch nicht gut verstanden. Das liegt daran, dass die ältesten Gesteine auf der Erde nur etwa vier Milliarden Jahre alt sind, also gut 500 Millionen Jahre jünger. Geologen sind somit auf indirekte Zeitzeugen angewiesen, um die Frühgeschichte der Erde zu entschlüsseln. So haben geologische Ereignisse aus der Geburtsphase der Erde ihre chemischen Spuren in viel jüngeren Gesteinen hinterlassen, zum Beispiel in Form von anomalen Gehalten an seltenen Spurenelementen oder von Zerfallsprodukten längst zerfallener radioaktiver Isotope.
Eine solche heiße Spur ist das seltene Metall Niob, das in Gesteinen nur in äußerst geringen Konzentrationen vorkommt (ein Gramm pro Tonne Gestein oder oft sogar noch weniger). Schon seit ungefähr zehn Jahren ist bekannt, dass in der äußeren Silikathülle der Erde, die sich aus Erdkruste und Erdmantel zusammensetzt, ungefähr 20 Prozent an Niob fehlen. Der Grund dafür war bislang nicht bekannt, es wurde aber schon lange spekuliert, dass diese 20 Prozent Niob während der geologischen Frühgeschichte der Erde verloren gegangen sind.
Das Rätsel um das fehlende Niob auf der Erde ist jetzt gelöst. Forscher vom Institut für Geologie und Mineralogie in Köln und vom Steinmann Institut in Bonn führten extrem genaue Messungen der Gehalte an Niob in Meteoritenbruchstücken aus dem Asteroidengürtel durch. „Diese Asteroiden sind die einzigen Überbleibsel aus der Frühzeit des Sonnensystems vor mehr als 4.5 Milliarden Jahren“, erläutert Dr. Toni Schulz, jetzt an der Universität Wien, der viele der kostbaren Meteoritenproben für die Studie vorab untersucht und ausgewählt hat. Alle größeren Planeten im Sonnensystem sind durch Kollision von solchen Asteroiden entstanden.
Dass das Element Niob oft im metallischen Kern von solchen Asteroiden in nennenswerten Mengen vorkommt, „entspricht nicht den geologischen Vorhersagen,“ sagt der Geochemiker Münker aus Köln. „Wir haben immer angenommen, dass das Element Niob nur in den silikatreichen äußeren Hüllen von Asteroiden vorkommt, aber nicht in deren metallischen Kernen“. „Überraschenderweise zeigte sich im Labor, dass bei der Aufschmelzung solcher Asteroiden tatsächlich erhebliche Mengen an Niob in deren Metallkerne wandern können“ so der Petrologe Dr. Raul Fonseca aus Bonn, der die Laborexperimente durchführte.
Kontakt:
Prof. Dr. Carsten Münker
Institut für Geologie und Mineralogie Köln
+49 221 470-3198
c.muenker@uni-koeln.de
Dr. Raúl Fonseca
Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie Bonn
+49 228 73-9782
rfonseca@uni-bonn.de
Zur Publikation:
Carsten Münker, Raul O.C. Fonseca, Toni Schulz: Silicate Earth’s missing Niobium may be sequestered into Asteroidal Cores. Nature Geoscience http://dx.doi.org/10.1038/ngeo3048