Um einen bestimmten Zelltyp zu untersuchen, muss man ihn erst einmal von anderen sicher unterscheiden können. Biologen und Mediziner haben daher ausgefeilte Methoden entwickelt, um ganz gezielt nur bestimmte Zellen anzufärben. Für die multipotenten stromalen Zellen war das bislang aber nur eingeschränkt möglich.
Das ist besonders unbefriedigend, weil diese Zellen insbesondere für die regenerative Medizin im Fokus des Forschungsinteresses stehen. So weiß man beispielsweise, dass sie zu Knochen-, Fett- oder Knorpelzellen werden können. Zudem vermutet man, dass sie bei Wundheilungsprozessen eine Rolle spielen – aber auch bei pathologischen Veränderungen, die etwa bei der Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) stattfinden.
„Bei all diesen Entwicklungs- und Krankheitsprozessen sind aber noch viele Fragen offen“, erklärt Dr. Martin Breitbach vom Institut für Physiologie I der Universität Bonn. „Wir haben daher nach einer Möglichkeit gesucht, multipotente stromale Zellen im lebenden Organismus zu markieren.“ Dazu fahndeten die Wissenschaftler nach Erbinformationen, die in den Zellen besonders häufig abgelesen werden, in anderen Zelltypen dagegen eher inaktiv sind. Fündig wurden sie in dem so genannten CD73-Gen.
Farbstoff zeigt Genaktivität an
In Versuchsmäuse brachten sie dann eine Art künstliche Erbanlage ein. Diese produziert einen grün leuchtenden Farbstoff – und zwar immer dann, wenn in der entsprechenden Zelle das CD73-Gen abgelesen wird. „Da CD73 vor allem in den multipotenten stromalen Zellen aktiv ist, verraten sich diese durch ein grünes Leuchten“, erklärt Breitbachs Co-Autor Dr. Kenichi Kimura.
Im Prinzip ist diese Vorgehensweise schon seit vielen Jahren etabliert. Für multipotente stromale Zellen kannte man aber bislang kein geeignetes Merkmal, das gut zur Unterscheidung von anderen Zellen taugt. „Und dieses Merkmal haben wir nun mit dem CD73-Gen gefunden“, erläutert Kimura.
Durch die Farbstoffmarkierung war es möglich, diese Zellen gezielt aus dem Knochenmark zu isolieren. Die Wissenschaftler konnten dadurch zeigen, dass aus einer einzigen multipotenten stromalen Zelle in der Kulturschale Knochen-, Fett- und Knorpelzellen ausdifferenzieren. „Unsere Methode ermöglicht die Untersuchung der Zellen in ihrem ursprünglichen Zustand“, sagt Breitbach. „In zukünftigen Studien lässt sich jetzt beispielsweise direkt am lebendigen Tier klären, wie die Stammzellen bei Verletzungen oder Erkrankungen zu dem betroffenen Gewebe wandern und was sie dort machen."
Zufallsfund eröffnet neue Perspektiven
Neue Forschungsperspektiven eröffnet auch ein Ergebnis, mit dem die Wissenschaftler selbst nicht gerechnet hatten: Neben den multipotenten stromalen Zellen weist augenscheinlich noch ein weiterer Zelltyp eine erhöhte CD73-Aktivität auf – die sinusoidalen Endothelzellen im Knochenmark.
Über diesen Zufallsfund waren die Forscher sehr erfreut: Erst seit kurzem ist nämlich bekannt, dass die Reifung und Verteilung von Blutstammzellen durch unterschiedliche Endothelzell-Typen reguliert wird. Sinusoidale Endothelzellen übernehmen dabei vermutlich eine Schlüsselrolle. Wie genau, ist allerdings noch ziemlich rätselhaft. Denn auch sie konnte man bislang nicht spezifisch anfärben und so von anderen Endothelzellen unterscheiden.
Die Wissenschaftler haben nun die verschiedenen Zellpopulationen aufgereinigt und das genetische Muster der multipotenten stromalen Zellen und der sinusoidalen Endothelzellen erstmals im Detail charakterisiert. „Diese Erkenntnisse sind hochinteressant“, sagt Breitbach. „Sie vermitteln tiefere Einblicke in diese Zelltypen und sind ein Ausgangspunkt für weitere Studien.“
Publikation: Martin Breitbach, Kenichi Kimura, Tiago C. Luis, Christopher J. Fuegemann, Petter S. Woll, Michael Hesse, Raffaella Facchini, Sarah Rieck, Katarzyna Jobin, Julia Reinhardt, Osamu Ohneda, Daniela Wenzel, Caroline Geisen, Christian Kurts, Wolfgang Kastenmüller, Michael Hölzel, Sten E. W. Jacobsen, Bernd K. Fleischmann: In vivo labeling by CD73 marks multipotent stromal cells and highlights endothelial heterogeneity in the bone marrow niche; Cell Stem Cell, 1.2.2018; DOI: 10.1016/j.stem.2018.01.008
Kontakt:
Dr. Martin Breitbach
Institut für Physiologie I, Medizinische Fakultät, Universität Bonn
Tel. 0228/732476
E-Mail: mbreitba@uni-bonn.de
Prof. Dr. Bernd Fleischmann
Institut für Physiologie I, Medizinische Fakultät, Universität Bonn
Tel. 0228/6885200
E-Mail: bernd.fleischmann@uni-bonn.de