Die Wissenschaftler der Universität Bonn nutzten für ihre Experimente ein Gas aus Lithium-Atomen, dass sie sehr stark abkühlten. Bei einer bestimmten Temperatur ändert sich schlagartig der Zustand des Gases: Es wird zu einem Supraleiter, der Strom ohne jeden Widerstand leitet. Physiker sprechen auch von einem Phasenübergang. Eine ähnlich plötzliche Änderung geschieht bei Wasser, wenn es gefriert.
Das Lithium-Gas geht bei seinem Phasenübergang in einen geordneteren Zustand über. Dabei entstehen unter anderem so genannte Cooper-Paare – das sind Zusammenschlüsse von zwei Atomen, die sich nach außen hin wie ein einziges Teilchen verhalten.
Paartanz der Atome
Diese Paare verhalten sich fundamental anders als einzelne Atome: Sie bewegen sich gemeinsam und können dies tun, ohne an anderen Atomen oder Paaren zu streuen. Das ist der Grund für die Supraleitfähigkeit. Was passiert aber nun, wenn man die Paare anzuregen versucht?
„Wir haben das Gas mit Mikrowellenstrahlung beleuchtet“, erklärt Prof. Dr. Michael Köhl vom Physikalischen Institut der Universität Bonn. „Dadurch konnten wir einen Zustand erzeugen, in dem die Paare in Schwingungen versetzt werden und damit die Qualität der Supraleitung sehr schnell oszillierte: In einem Moment war das Gas ein guter Supraleiter, im nächsten dagegen ein schlechter.“
Diese gemeinsame Oszillation der Cooper-Paare entspricht einem Higgs-Boson, ähnlich zu dem das im Jahr 2013 am Beschleuniger CERN entdeckt wurde. Dieser Zustand ist sehr instabil; daher ist es erst einer Handvoll Arbeitsgruppen weltweit gelungen, ihn zu erzeugen.
Die Experimente erlauben einen Einblick in bestimmte physikalische Eigenschaften eines Higgs-Bosons. Die Physiker hoffen beispielsweise, durch Studien wie diese mittelfristig den Zerfall des äußerst kurzlebigen Teilchens besser verstehen zu können.
Schnell schaltbare Supraleiter
Interessant sind die Versuche aber auch noch aus einem anderen Grund: Sie weisen einen Weg, über den man die Widerstandsfreiheit von Supraleitern sehr schnell an- und wieder abschalten kann. Diese versuchen normalerweise, möglichst lange in ihrem leitfähigen Zustand zu verbleiben. Durch Erwärmung lassen sie sich zwar davon abbringen; dieses Vorgehen ist aber sehr langsam. Die Experimente zeigen, dass es prinzipiell auch um den Faktor tausend und mehr schneller geht. Dadurch eröffnen sich eventuell völlig neue Anwendungsmöglichkeiten für Supraleiter.
Der Erfolg der Bonner Wissenschaftler basiert auch auf einer gelungenen Kooperation von Theorie und Experiment: „Wir haben die Phänomene theoretisch vorhergesagt“, erklärt Prof. Dr. Corinna Kollath vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. „Bei den Experimenten am Physikalischen Institut wussten Prof. Köhl und seine Mitarbeiter also genau, wonach sie suchen mussten.“
Publikation: A. Behrle, T. Harrison, J. Kombe, K. Gao, M. Link, J.-S. Bernier, C. Kollath & M. Köhl: Higgs mode in a strongly interacting fermionic superfluid; Nature Physics (2018); DOI: 10.1038/s41567-018-0128-6
Kontakt:
Prof. Dr. Michael Köhl
Alexander-von-Humboldt Professor
Physikalisches Institut der Universität Bonn
Tel.: 0228/73-4899
E-Mail: michael.koehl@uni-bonn.de