Gebäude erzählen Geschichten, sie stiften Identität und prägen das Leben derer, die in ihnen lehren und lernen. Das weiß nicht zuletzt Bernd Draser, Dozent an der ecosign/Akademie für Gestaltung und ehemaliger Student der Universität Bonn. Am Donnerstagabend saß er wieder im Hörsaal I des Universität Hauptgebäudes. Dieses Mal jedoch nicht als Student, sondern als einer von drei Experten, die darüber diskutieren, in welchen Spannungsfeldern sich die Gebäude bewegen.
Manchmal unpraktisch, aber sehr schön
„Identitätsbildend war für mich besonders dieses Verwinkelte, Faustische des Philosophischen Seminars. Was schon von seinem ganzen Charakter her besonders geisteswissenschaftlich ist. Es ist unpraktisch, es ist schwer zugänglich. Es ist aber sehr schön!“, meinte Draser und nahm eine Hochschule als „Raum für Bildung“ dabei ganz wörtlich: „Wenn man Bildung als das Eintrichtern von Kompetenzen sieht, ist sicher ein laborähnlicher Raum ein geeigneter Ort. Wenn es aber auch um die komplexere Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geht, dann sollten sich Räume nicht der Funktionalität unterwerfen.“
Architektur und Bauweise eines Gebäudes prägen die Studierenden dabei ganz unterschiedlich, auch wenn der Einfluss oft unbewusst sei, meinte auch Hiltrud Kier, Professorin am Kunsthistorischen Institut: „Sicher ist das Studium im Hauptgebäude erhebend. Aber auch die Bibliothek mit ihrem großen Lesesaal direkt am Rhein hat etwas sehr Animierendes. Ebenso stößt das Juridicum bei den Studierenden der Rechtswissenschaft auf positive Resonanz.“
Gelungene Mischung aus historisch und modern
Die Mischung aus historischen, altehrwürdigen Gebäuden und moderneren Neubauten auf der einen Seite, die unzertrennliche Verwobenheit der Universität im Stadtbild auf der anderen Seite, sah Professor Dr. Christoph Zöpel als ein „doppeltes Glück Bonns“. Laut dem Vorsitzenden des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz kann es keine Universitätsentwicklung ohne Stadtentwicklung geben. Gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit sei deshalb eine entscheidende Frage, welche bestehenden Gebäude in Zukunft für universitäre Zwecke genutzt werden – und vor allem wie.
Für Zöpel ist das nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern auch der Funktionalität: „Wenn wir wollen, dass unsere Studenten ihre Uni schön finden, müssen wir sie so bauen, dass sie genügend Platz haben.“ Den berüchtigten „Betonklötzen“ aus den 1960er und 70er Jahren mochte er trotzdem nicht viel abgewinnen. Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Fürsprache kam dagegen von Hiltrud Kier: „Die Qualität eines Gebäudes bewertet jede Generation subjektiv und immer wieder neu. Es ist ein stufenweiser Prozess bis auch die Qualität dieser Bauten erkennbar wird.“
Von denjenigen, die nach der Veranstaltung aus dem Hörsaal ins Freie traten, wird der ein oder andere kurz innegehalten und einen Blick auf das erleuchtete Hauptgebäude geworfen haben: Das von Professor Kier als falsches „Schönbrunnsches Gelb“ der Fassade bezeichnete musternd, die verwinkelten Gänge im Turm des Philosophischen Seminars erahnend und vielleicht ja sogar zufrieden ins Getümmel der Innenstadt verschwindend – glücklich darüber, dass sich die Uni im Herzen der Stadt befindet.
„Gebäude mit faustischem Charakter“ „Gebäude mit faustischem Charakter“
Vom barocken Poppelsdorfer Schloss aus dem 18. Jahrhundert bis zum Arithmeum mit seinen klaren Linien und der Fassade aus Glas: Die Universitätsgebäude haben mit ihren unterschiedlichen Architekturstilen ihre besonderen Reize und Herausforderungen. Anlässlich des 200jährigen Bestehens der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zeigten drei Experten ihre ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf die Universitätsgebäude auf.
Auf dem Podium (von links):
- Prof. Dr. Hildtrud Kier, Bernd Draser, Prof. Dr. Christoph Zöpel und Moderator Dr. Martin Bredenbeck vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz.
© Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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