07. September 2018

Methode zeigt, ob Herzmuskelzellen nachwachsen Methode zeigt, ob Herzmuskelzellen nachwachsen

Studie der Universität Bonn ebnet den Weg für eine systematische Suche nach neuen Herzmedikamenten

Weltweit fahnden Forscher nach Medikamenten, die Herzmuskelzellen nach einem Infarkt einfach nachwachsen lassen. Bislang ließ sich aber nicht zuverlässig nachweisen, ob ein potenzieller Wirkstoff die verbliebenen Herzzellen tatsächlich zur Teilung anregt. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun eine neue Methode vorgestellt, die das bewerkstelligt. Sie könnte die systematische Suche nach neuen Herzmedikamenten deutlich erleichtern. Die Studie erscheint im Oktober in der renommierten Zeitschrift „Circulation Research“, ist aber bereits online abrufbar.

Dr. Kenichi Kimura, Dr. Michael Hesse und Dr. Michael Döngi
Dr. Kenichi Kimura, Dr. Michael Hesse und Dr. Michael Döngi - (von links) von der Universität Bonn haben eine neue Methode veröffentlicht, die möglicherweise die Suche nach neuen Herzmedikamenten erleichtert. © Foto: Michael Döngi/Uni Bonn
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Bei einem großen Herzinfarkt gehen durch den Sauerstoffmangel hunderte Millionen von Herzmuskelzellen zugrunde. Häufige Folge ist eine lebensbedrohliche Herzmuskelschwäche. Kardiologen träumen daher davon, die verlorenen Zellen einfach nachwachsen zu lassen. Beispielsweise könnte man die noch vorhandenen Muskelzellen gezielt zur Teilung anregen. Tatsächlich hat man bereits eine Reihe von Wirkstoffen identifiziert, die das zumindest im Reagenzglas zu bewerkstelligen scheinen. Im lebenden Organismus haben sie aber bislang enttäuscht.

Dr. Michael Hesse, Privatdozent am Institut für Physiologie I der Universität Bonn, vermutet dafür einen einfachen Grund: „Eventuell wurde der teilungsfördernde Effekt dieser Wirkstoffe schon in der Zellkultur deutlich überschätzt“, sagt er. Denn es ist gar nicht so einfach zu beurteilen, ob Herzmuskelzellen – fachsprachlich: Kardiomyozyten – sich wirklich teilen und dadurch vermehren. „Man kann relativ einfach erkennen, ob sich die Zellkerne teilen“, erklärt Hesse. „Normalerweise folgt darauf auch eine Zellteilung. Insbesondere in sehr jungen Kardiomyozyten, die oft als Testsystem verwendet werden, unterbleibt dieser Schritt jedoch häufig; sie werden einfach mehrkernig. Und damit ist niemandem geholfen, da die Muskelkraft nicht zunimmt.“

Teilt sich die Zelle oder nur ihr Kern?

Als eindeutiger Hinweis auf eine Zellteilung galt bislang die Ausbildung des so genannten Mittelkörpers (fachsprachlich: Flemming-Körper). Dabei handelt es sich um eine stäbchenförmige Struktur, die sich zwischen den beiden Tochterzellen bildet, kurz bevor diese sich endgültig trennen. Mittelkörper lassen sich durch eine Färbung sichtbar machen. Unter dem Mikroskop lässt sich so relativ einfach die Teilungsaktivität der Herzmuskulatur bestimmen. „Wir konnten aber zeigen, dass Mittelkörper auch in zweikernigen Kardiomyozyten entstehen“, betont Hesse. „Ihr Auftreten bedeutet also nicht, dass sich die entsprechenden Herzmuskelzellen tatsächlich teilen und somit vermehren.“

Möglicherweise fördern die bislang entdeckten Wirkstoffe also nur die Mehrkernigkeit von Kardiomyozyten, nicht aber ihre Vermehrung. In Zusammenarbeit mit Kollegen vom Institut für Physiologie II haben die Wissenschaftler der Universität Bonn nun aber entdeckt, wie man unter dem Mikroskop Zellteilung von reiner Kernteilung sicher unterscheiden kann. Dazu haben sie unter anderem in lebendem Herzgewebe von Mäusen zwei wichtige Proteine mit Fluoreszenzfarbstoffen angefärbt. „So waren wir in der Lage, einerseits die Kerne der Herzmuskelzellen sichtbar zu machen und andererseits auch ihre Mittelkörper“, erläutert Dr. Michael Döngi vom Institut für Physiologie II. Mit einem Mikroskop konnten sie dann Kardiomyozyten im Gewebe über Stunden beobachten und ihre Teilungsprozesse direkt sichtbar machen.

Dabei stellten sie fest, dass Kerne und Mittelkörperchen bei einer wirklichen Zellteilung eine hantelartige Anordnung einnehmen: Der Mittelkörper (die „Hantelstange“) sitzt dabei genau zwischen den beiden Kernen (den „Gewichten“). „Bei Zweikernigkeit liegt er dagegen eher seitlich“, erklärt Prof. Dr. Valentin Stein vom Institut für Physiologie II. „Die Kerne haben zudem einen deutlich geringeren Abstand zueinander.“

Beide Merkmale zusammen reichen aus, um Teilungsereignisse eindeutig zu identifizieren. Die Forscher hoffen, diese Tatsache für neue aussagekräftige Wirkstofftests nutzen zu können. Dazu wollen sie zunächst spezifisch die Kerne von Herzmuskelzellen anfärben und automatisiert auswerten. „So lassen sich schon einmal die Substanzen herausfiltern, die zu einer vermehrten Kernteilung führen“, erklärt Hesse. Als zweiter Schritt würde dann überprüft, ob es dabei auch tatsächlich zu einer Zellteilung kommt. Falls ja, müsste der entsprechende Wirkstoff in weiteren Tests beweisen, ob er im lebenden Organismus hält, was er verspricht: nämlich, funktionelles Herzgewebe nachwachsen lassen zu können.

Publikation: Michael Hesse, Michael Doengi, Alexandra Becker, Kenichi Kimura, Nadine Voeltz, Valentin Stein, Bernd K. Fleischmann: Midbody Positioning and Distance Between Daughter Nuclei Enable Unequivocal Identification of Cardiomyocyte Cell Division in Mice; Circulation Research; https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCRESAHA.118.312792

Kontakt:

Privatdozent Dr. Michael Hesse
Institut für Physiologie I der Universität Bonn
Medizinische Fakultät
Life & Brain Center
Tel. 0228/6885233
E-Mail: mhesse1@uni-bonn.de

Prof. Dr. Bernd K. Fleischmann
Institut für Physiologie I der Universität Bonn
Medizinische Fakultät
Life & Brain Center
Tel. 0228/6885200
E-Mail: bernd.fleischmann@uni-bonn.de

Abbildung einer mehrkernig werdenden (oben) und einer sich teilenden Herzmuskelzelle (unten)
Abbildung einer mehrkernig werdenden (oben) und einer sich teilenden Herzmuskelzelle (unten) - in einem Gewebsschnitt des Mausherzens. Der Mittelkörper (weiß; Pfeil) ist in der oberen Abbildung etwas zum Rand verschoben; zudem liegen die Kerne (rot) hier näher beieinander als bei der sich teilenden Zelle. © Alexandra Becker/Uni Bonn
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