Das „Hausdorff Center for Mathematics“ (HCM) und „ImmunoSensation“ hatten jeweils drei Slammerinnen und Slammer aus ganz Deutschland eingeladen, die die jeweilige Fachrichtung (Mathematik versus Biomedizin einschließlich der angrenzenden Fachbereiche) vertraten. Unterstützt wurden sie beim Science-Slam vom studentischen iGEM-Team Bonn.
Der Witz bei Science-Slams, die man am besten mit Wissenschaftswettstreit oder auch wissenschaftliches Kurzvortragsturnier übersetzt, sind die Pointen. Die Wissenschaftler - meistens Nachwuchswissenschaftler – stellen ihr Forschungsgebiet möglichst verständlich und unterhaltsam in einer vorgegebenen Zeit dem Publikum vor. Am Ende wird die gelungenste populärwissenschaftliche Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte prämiert. Es ist (fast) alles erlaubt, außer das Zeitlimit zu überschreiten.
Wie ernst es ihnen damit ist, dem Humor in der Wissenschaftskommunikation eine Bresche zu schlagen, machten die beiden Moderatoren des Science-Slams von Beginn an deutlich. Die Show-Talente Dr. Thoralf Räsch vom HCM und Dr. David Fußhöller von ImmnunoSensation ließen nichts unversucht, das Publikum früh auf die jeweilige Seite ihres Teams zu ziehen: Räsch erinnerte daran, dass „wir“ zwar nicht mehr „Papst“, aber dafür jetzt „Fields“ sind – eine Grußadresse des Fields-Medaillen-Gewinners 2018, Peter Scholze, wurde eingeblendet. Fußhöller verteilte dafür Bio-Honig und Gemüse im Publikum. Zur Atmosphäre eines Science-Slams gehört es ohnehin, die Zuschauer immer wieder einzubinden. Sei es als Time Keeper – jemand muss bei den Vorträgen die Uhr im Blick behalten – oder beim Auslosen der Slammer-Reihenfolge.
Für das Team Mathe stieg mit Reinhard Remfort, Wissenschaftskommunikator, Freiberufler und Podcaster, gleich ein erfahrener Slammer und passionierter Biertrinker in den Ring. Der Diplom-Physiker gab Einblicke in seine Doktorarbeit zum Thema „Epitaxie hochreiner Diamantschichten zur Untersuchung oberflächennaher NV-Störstellen“. Dieser Titel wurde zwar während des Vortrags mal eingeblendet, tatsächlich aber handelte es sich um einen „Crashkurs Quantentheorie“, unter der Überschrift „Dienliche Defekte“. Während Remfort sich also damit beschäftigt, Diamanten herzustellen, wünscht sich Ann-Charlott Schneider, Doktorandin am Cornea Lab, Zentrum für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, salopp gesagt mehr Durchblick, insbesondere für Patienten mit Hornhauteintrübungen. Vergleichbar mit einer Windschutzscheibe sei die Funktion der Hornhaut für das Auge, erläuterte Schneider in ihrem Vortrag „Gefäße und Hornhauttransplantationen“. Anders als bei einem Auto, bei dem man die kaputte Windschutzscheibe einfach durch eine neue ersetzt, kann es bei einem Hornhautransplantat jedoch zu Abstoßungsreaktionen kommen. Grund dafür ist das Wachstum von Blut- und Lymphgefäßen. Ihre Entstehung zu beeinflussen und möglichst zu verhindern, ist Ziel der Forschung.
Die Weltformel lässt den Mathematischen Physiker Wadim Wormsbecher nicht ruhen. Der Doktorand an der Humboldt-Universität zu Berlin lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums unter dem Titel „Dualitäten der Physik“ auf dieses „brandheiße Thema“ und verblüffte mit der möglichen Vermählung zwischen „Frankensteins Monster“ (vulgo Standardmodell der Elementarteilchen) und einem südländischen Top-Model (vulgo Allgemeine Relativitätstheorie). Jan Niklas Hansen, Doktorand am Institut für Angeborene Immunität des Universitätsklinikums
Bonn und Mitglied einer am Forschungszentrum caesar angesiedelten
Forschungsgruppe, vermittelte unter dem Titel „Ohne Zilium auf Klassenfahrt“ nachvollziehbar die vielfältigen Funktionen der kleinen Zellfortsätze.
Als Lehrer an der Gemeinschaftsschule im Rastbachtal, Saarbrücken, ist der Mathematiker Florian Kern natürlich ganz nah dran an der Basis, an der Jugend. Der Titel „Schule vs. Mathematik“ war allerdings etwas irreführend: Vielmehr machte Kern Werbung für Mathe, wenn er die Schüler und das Bonner Publikum erst über seine Bilder bei Instagram staunen lässt und dann erklärt, wieviel und welche Mathematik hinter der Verwendung eines Filters steckt. Um Kleinstlebewesen ging es dann bei Dr. Roman Stilling, wissenschaftlicher Referent für die Informationsinitiative „Tierversuche verstehen“ der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Die wichtigsten Erkenntnisse seines Vortrags „Wer nichts wird, wird Wirt? Wie Bakterien unser soziales Netzwerk knüpfen“: Absolute Keimfreiheit fördert nicht die Lebensqualität, sondern bietet ein leichteres Angriffsziel für Allergien. Und: Aktivitäten auf Facebook sind kein adäquater Ersatz für den Austausch von Körperflüssigkeiten.
Eingestimmt auf diese unterhaltsame Art der Forschungseinblicke wurde das Publikum zu Beginn mit dem außer Konkurrenz startenden Vortrag „Schau mir in die Augen, Kleines! - Die Physik bei James Bond“ des Dortmunder Physikprofessors Metin Tolan. Tolan mixte mustergültig die Zutaten für einen gelungenen Science-Slam: Elemente der Popkultur, Humor und Selbstironie, wissenschaftliche Fragestellung, die Darstellung naheliegender Experimente und die Benennung verblüffender Ergebnisse. Dank der tags zuvor geendeten Bonner Stummfilmtage konnten alle Slammer deren große Leinwand für ihre Vorträge nutzen. Ein Umstand, der vielfach begeisterte und für die Veranstalter nur eine Schlussfolgerung zuließ: „Das müssen wir wiederholen.“