Auf der Neugeborenen-Station eines Kinderkrankenhauses in Deutschland wurde bei routinemäßigen Hygiene-Screenings vermehrt das Bakterium Klebsiella oxytoca festgestellt. Das Bakterium kann zu Magen-Darm- und Atemwegsinfektionen sowie im schlimmsten Fall zur tödlichen Sepsis führen. In diesem besonderen Fall konnten gängige Antibiotika gegen diesen Erreger nur eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr eingesetzt werden. Nachdem immer wieder Neugeborene mit dem Keim besiedelt und intensive Hygieneinterventionsmaßnahmen erfolglos waren, zog das Krankenhaus das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH) des Universitätsklinikums Bonn hinzu. „Glücklicherweise war es zu keinen gefährlichen Infektionen bei den Babys gekommen“, sagt Dr. Daniel Exner, Hygienebeauftragter Arzt der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Bonn.
Um der Quelle und möglichen Verbreitungswegen auf die Spur zu kommen, wurden mehrfach Umgebungsproben im Patienten- und Personalbereich und vermuteten Risikoorten mit den Proben der Neugeborenen verglichen. „Dieser Klebsiella oxytoca-Typ war so einzigartig, dass er bisher in dieser Form noch nicht in der Datenbank des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für Gramnegative Krankenhauserreger erfasst war“, sagt Dr. Dr. Ricarda Schmithausen, Leiterin des One Health-Fachbereiches am IHPH. Diese Besonderheit war ein Vorteil, weil sich dadurch der Verbreitungsweg eindeutig nachvollziehen ließ. Weder Eltern noch das Pflegepersonal hatten die Bakterien übertragen.
Verbreitung über Mützchen und Söckchen auf die Neugeborenen
„Der Klebsiella oxytoca-Typ war eindeutig im Spülfach und am Türgummi einer Waschmaschine im Keller nachzuweisen, mit der die handgestrickten Söckchen und Mützchen der Babys auf der Station gewaschen wurden“, sagt Prof. Dr. Dr. Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universitätskliniken Bonn. Über die Kleidung wurden die Keime auf die Neugeborenen übertragen.
Nachdem die Waschmaschine entfernt wurde, wurden auch keine weiteren Besiedelungen der Frühchen nachgewiesen. „Das zeigt eindeutig, dass wir die Klebsiella-Quelle gefunden haben“, fasst Schmithausen das Ergebnis zusammen. „Es handelt sich um einen Sonderfall.“ Normalerweise sind in Krankenhäusern spezielle Waschmaschinen und Waschverfahren im Einsatz, die bei hohen Temperaturen und mit Desinfektionsmitteln waschen, oder ausgewiesene Wäschereien bereiten die Wäsche extern auf. Auf der Frühgeborenen-Station handelte es sich bei dem etwas länger zurückliegenden Fall dagegen um eine handelsübliche Waschmaschine. „Wir haben uns entschieden, diesen Fall aufzuarbeiten, um auf mögliche Probleme mit resistenten Bakterien, die nun auch weiter in das häusliche Umfeld vordringen, aufmerksam zu machen“, sagt Schmithausen.
In Studien wurde bereits beschrieben, dass sich antibiotika-resistente Bakterien in Waschmaschinen einnisten können. „Wir haben jedoch erstmals nachgewiesen, dass es durch eine Waschmaschine auch zur Übertragung von antibiotika-resistenten Keimen auf den Menschen kommen kann“, berichtet Prof. Exner. Dieses Resultat habe unter anderem auch Konsequenzen für den häuslichen Bereich. Denn aus Umweltschutzgründen gehe bei üblichen Haushaltsmaschinen der Trend zu niedrigeren Temperaturen deutlich unter 60 Grad. Dies sei im Prinzip eine sehr positive Entwicklung, weil dadurch Energie eingespart und das Klima geschont werde, so die Forscher.
Sofern jedoch pflegebedürftige, ältere Menschen mit offenen Wunden oder Blasenkathetern oder auch jüngere Menschen mit eiternden Verletzungen oder Infektionen im Haushalt lebten, sollte die Wäsche bei höheren Temperaturen – zum Beispiel 60 Grad – gewaschen werden, um die Übertragung von gefährlichen Keimen zu vermeiden. In den Augen der Hygieniker ist dies eine wachsende Herausforderung, da die Zahl der in Familien versorgten Pflegebedürftigen ständig zunimmt.
Neue Studie: Probanden gesucht
Diesen Übertragungsweg möchte das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit noch genauer untersuchen. Die Wissenschaftler suchen deshalb Haushalte mit Personen, die zuvor aufgrund einer Besiedelung mit multiresistenten Erregern stationär isoliert wurden und Interesse haben, sich an einer Studie zur Übertragung von antibiotika-resistenten Keimen über Waschmaschinen zu beteiligen. Interessierte können sich an Dr. Daniel Exner wenden (E-Mail: daniel.exner@ukbonn.de).
Publikation: Ricarda M. Schmithausen, Esther Sib, Martin Exner, Sylvia Hack, Claudia Rösing, Patrick Ciorba, Gabriele Bierbaum, Michael Savin, Sally F. Bloomfield, Martin Kaase, Anja Jacobshagen, Stefanie Gemein, Jürgen Gebel, Steffen Engelhart, Daniel Exner: The washing machine as a reservoir for transmission of extended spectrum beta-lactamase (CTX-M-15)-producing Klebsiella oxytoca ST201 in newborns, Applied and Environmental Microbiology, DOI: 10.1128/AEM.01435-19
Kontakt für die Medien:
Dr. med. Dr. agr. Ricarda Schmithausen
Oberärztin, Fachbereich One Health
Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH)
Universitätsklinikum Bonn
Tel. 0228/287-13452
E-Mail: Ricarda.Schmithausen@ukbonn.de
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Martin Exner
Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit (IHPH)
Universitätsklinikum Bonn
Tel. 0228/287-15520 oder -15521
E-Mail: martin.exner@ukbonn.de
„60 Grad reichen nicht aus, um Keime sicher abzutöten“
Während für Gesunde kaum Gefahr durch resistente Erreger besteht, braucht die Wäsche von Erkrankten besondere Aufmerksamkeit
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn haben herausgefunden, dass in der Frühgeborenenstation eines Krankenhauses Frühchen mit antibiotika-resistenten Keimen besiedelt waren. Die Babykleidung wurde auf der Station mit einer Waschmaschine gewaschen, wodurch es zur Verbreitung der Keime kam (siehe oben). Wir befragten dazu die Studienleiterin Dr. Dr. Ricarda Schmithausen vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn. Prof. Dr. Rainer Stamminger von der Haushalts- und Verfahrenstechnik der Universität Bonn gibt zum richtigen Umgang mit Waschmaschinen Auskunft.
Welche Konsequenzen hat dieses Ergebnis für das häusliche Umfeld?
Schmithausen: Für gesunde Menschen, die eine handelsübliche Waschmaschine im häuslichen Bereich verwenden, hat dies zunächst keine weitere Konsequenz. Eine mögliche Relevanz besteht für Menschen, die abwehrgeschwächt sind, offene beziehungsweise chronische Wunden haben, mit Dauerkathetern leben müssen et cetera. Für diese Menschen birgt im Gegensatz zu Gesunden bereits die Exposition gegenüber multiresistenten Erregern, die möglicherweise auch in einer Waschmaschine verweilen und über diese übertragen werden können, ein potentielles Risiko.
Wie groß ist die Gefahr, sich durch die heimische Waschmaschine mit gefährlichen Keimen anzustecken?
Schmithausen: Grundsätzlich befinden sich überall in unserer Umgebung und auf unserer Haut Keime. Um sich mit gefährlichen Keimen beziehungsweise Krankheitserregern anstecken zu können, müssen diese zunächst überhaupt in die Waschmaschine gelangen. Dies erfolgt in der Regel nicht über das an die Waschmaschine angeschlossene Wassernetz, sondern am ehesten durch Wäsche, die bereits mit solchen Erregern besiedelt ist. Somit kann eine erneute „Kontamination“ mit diesen Erregern stattfinden, wenn die Wäsche nicht mit ausreichend hoher Temperatur, also über mindestens 60 Grad oder desinfizierend beziehungsweise mit Bleichmitteln gewaschen wurde, und diese dann erneut getragen wird. Zu berücksichtigen ist dies insbesondere dann, wenn mehrere potenziell gefährdete Menschen in einem Haushalt leben und deren Wäsche mit derselben Waschmaschine gereinigt wird. Hierzu zählen zum Beispiel Pflegebedürftige, abwehrgeschwächte Personen und gerade aus dem Krankenhaus entlassene Patienten, die zuvor besiedelt waren.
Das Thema Nachhaltigkeit steht aus guten Gründen hoch im Kurs. Die Empfehlung lautet, die Wäsche mit möglichst geringen Temperaturen zu waschen, um Energie zu sparen. Beißt sich das mit Hygieneempfehlungen?
Schmithausen: Leider ist es tatsächlich so, dass das Waschen mit Temperaturen unterhalb von 60 Grad als rein thermisches Verfahren nicht ausreichend ist, um eine sichere Abtötung der Keime zu erreichen. Wichtig ist es allerdings hierbei, dass die Wäsche ja nur dann mit erhöhten Temperaturen gewaschen werden sollte, wenn tatsächlich eine möglichst sichere Abtötung sämtlicher Keime notwendig ist, also zum Beispiel bei oben genannten Personengruppen beziehungsweise bei Wäsche, die als potentiell kontaminiert anzusehen ist, wie zum Beispiel Unterwäsche.
Die Hinzunahme von chemischen Desinfektionsmitteln, ist in den oben angeführten begründeten Fällen auch unter Berücksichtigung von Umweltaspekten zu vertreten, da in diesen Fällen der Schutz der abwehrgeschwächten Menschen im Vordergrund steht. Die Einbeziehung von chemischen Desinfektionsmitteln, die hierfür geprüft und in einer Desinfektionsmittel-Liste aufgeführt sind (Verbund für Angewandte Hygiene e.V.: https://vah-online.de/de/vah-liste) bedarf immer einer Begründung und ist vorrangig in Gesundheitseinrichtungen von Relevanz.
Herr Professor Stamminger, begünstigt die Entwicklung moderner Waschmaschinen hin zu geringeren Waschtemperaturen zur Energieeinsparung und weniger Wasser die Verbreitung von Keimen?
Stamminger: Ich denke, man muss da klar differenzieren: Wenn es um hygienisch kritische Bereiche geht, wie in diesem Beispiel, dann muss natürlich die Wäsche hygienisch ausreichend gewaschen werden, am besten in einer professionellen Waschanlage und nicht in einer Haushaltswaschmaschine. Für unsere alltägliche Wäsche aber reicht ein Waschgang bei niedrigen Temperaturen durchaus aus. Allerdings sollte man zirka einmal pro Monat ein normales Waschprogramm bei 60 Grad laufen lassen und dazu pulverförmiges Vollwaschmittel einsetzen, um auch das Wachstum von Keimen in der Waschmaschine zu verhindern.
Was kann man tun, um die Keimzahl möglichst zu reduzieren?
Stamminger: Der regelmäßige Waschgang bei 60 Grad reduziert das mögliche Wachstum von Biofilmen in der Waschtrommel. Insbesondere in der Waschmittelschublade und in der Dichtung an der Waschmaschinentür können sich aber auch Keime ansiedeln. Darum sollten diese beiden Teile auch regelmäßig gereinigt werden. Die Schublade lässt sich bei allen Waschmaschinen herausnehmen und kann so gesäubert werden. Aber auch der Kasten, in dem die Schublade drinsteckt, muss gereinigt werden. Genauso wie die Falten der Dichtung an der Waschmaschinentür. Auf den Einsatz von speziellen Maschinenreinigern und Desinfektionsmittel kann man dann meist verzichten. Viele hilfreiche Informationen über das richtige Waschen und Reinigen findet man übrigens auf www.forum-waschen.de, an dem wir uns auch aktiv beteiligen.
Töten moderne Waschmittel gefährliche Keime ab?
Stamminger: Moderne Waschmittel – flüssige Waschmittel, Waschmittel-Pods oder -Caps – helfen, den Schmutz und damit auch die Keime zu entfernen. Aber sie töten die Keime nicht ab. Dafür braucht man entweder hohe Temperaturen oder Desinfektionsmitteln, oder am besten beides. Desinfektionsmittel können aber gefährlich für die Umwelt sein. Für die Wäsche haben wir hier eine gute Ersatzlösung: Percarbonate, die in Wasser Sauerstoff abspalten, der dann die Keime zerstört. Durch die Verwendung von TAED, eines Aktivators für das Bleichmittel, wird dieser Prozess beschleunigt und läuft auch bei niedrigeren Temperaturen schon ab. Damit bekommt man eine gute Keimabtötung schon bei einer 30-Grad-Wäsche. Allerdings sind diese Percarbonate und das TAED nur in pulverförmigen Vollwaschmitteln enthalten. Darum ist es so wichtig, solche Waschmittel einzusetzen, um die Keime wirklich abzutöten.
Steht auf der Waschmittelpackung, ob TAED und Percarbonate enthalten sind?
Stamminger: Ja, auf der Waschmittelpackung steht in der Liste der Inhaltsstoffe, ob TAED und Percarbonate enthalten sind. Man kann aber auch einfach nach einem pulverförmiges Vollwaschmittel schauen, denn all diese enthalten die beiden Komponenten.
Empfiehlt sich der Zusatz von Hygienespülern bei der Wäsche?
Stamminger: Hygienespüler helfen, Keime von der Wäsche zu entfernen. Wenn man keine pulverförmigen Vollwaschmittel einsetzen kann, zum Beispiel bei farbiger Wäsche, dann kann ein Hygienespüler sinnvoll sein, wenn eine starke Keimreduzierung gefordert ist, zum Beispiel wenn jemand mit ansteckenden Krankheiten im Haushalt lebt. Jedoch muss man auch hier wieder unterscheiden, dass die handelsüblichen Hygienespüler nicht gleichzusetzen sind mit chemischen Desinfektionsmitteln, die im Rahmen von professioneller Wäschereinigung von Klinikwäsche verwendet wird.