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Heute, sechs Jahre nach der Diagnose „Krebs“ gilt sie als geheilt. Bevor sich jetzt langsam auch ein Glücksgefühl einstellt, musste Petra G. die Neuigkeit erst in Ruhe auf sich wirken lassen. „Ich lebte wie unter einer Glocke und der Krebs hinterlässt seine Spuren“, sagt die heute 60-Jährige, die für ihre ganze Behandlung am Universitätsklinikum Bonn bleiben wollte: „Denn auf dem Venusberg-Campus ist trotz der Weitläufigkeit alles sehr gut organisiert.“
In Ausnahmesituation mit offenen Armen aufgenommen
Einen großen Anteil an dem guten Ausgang ihrer Krankheitsgeschichte sieht Petra G. dabei in dem Engagement der Patientenlotsinnen im dortigen Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Bonn. „Wir begleiten und betreuen Betroffene von Anfang bis zum Ende ihrer Behandlung, jeweils nach dem individuellen Bedarf“, sagt Christine Luppus, für die der Begriff „Lotse“ nicht wirklich ihre Tätigkeit widerspiegelt. „Wir sind mehr als ein Wegweiser durch die Klinik. Wir entlasten die Betroffenen, die sich von uns auch emotional unterstützt fühlen. Wir fördern so einen Therapieerfolg.“ Die 56-Jährige und ihre 46-jährige Kollegin Geraldine Leven sind gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen. Beide sind für an Krebs erkrankte Menschen in einer existenziellen Situation da – ihr Rüstzeug dafür ist ein Funke Menschenkenntnis und ganz viel Einfühlsamkeit.
Geschwollene Lymphknoten nach einer schweren Erkältung: Immer wieder bekommt Petra G. die gleiche, eher harmlose Diagnose bis zu ihrer Operation in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Bonn. Die Biopsie brachte es ans Tageslicht: Krebs bei unbekanntem Primärtumor – kurz CUP-Syndrom. Direkt nach ihrer Überweisung in die Medizinische Klinik III für Onkologie und Hämatologie lernte die neue Krebspatientin vor sechs Jahren Patientenlotsin Luppus kennen. „Die Diagnose traf mich wie ein Holzhammer, denn darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Aber ich wollte kämpfen“, erzählt Petra G. „Doch ich war von dem Gespräch mit den behandelnden Ärzten und Ärztinnen der Klinik emotional noch ganz aufgewühlt und sollte mich auch noch um vieles kümmern. Da hat mich Frau Luppus mit offenen Armen aufgenommen. Diese Begegnung gab mir Sicherheit.“
Bilden eine Brücke zwischen dem ärztlichen Team, Ambulanzen und Patient:innen
Genau hier setzen die Patientenlotsinnen am CIO Bonn an. Sie nehmen Betroffene an die Hand, trösten sie und organisieren deren Termine innerhalb des vom ärztlichen Behandlungsteam aufgestellten, vorher in einem Tumorbord besprochenen Therapieplans. So sind beispielsweise für eine sicher verlaufende Chemotherapie einige Voruntersuchungen wie Ultraschall oder Lungenfunktionstest notwendig, aber auch das Legen eines Ports, ein dauerhafter Zugang für die Medikamentengabe. „Es ist wichtig, diese Termine im Vorfeld so zu bündeln, damit unsere Patient:innen nicht zu oft ins Klinikum kommen brauchen. Um deren Kräfte zu schonen, müssen wir alles sehr gut koordinieren, so dass alles zeitnah vonstattengehen kann“, sagt Luppus. Das erfolgt im engen Austausch mit den Ärzt:innen sowie den medizinischen Fachangestellten in der onkologischen Ambulanz.
Haben ein Gespür für ihre Schützlinge
Im weiteren Verlauf der Therapie sind die Patientenlotsinnen jederzeit zur Stelle, haben Zeit und begleiten bei Bedarf ihre Schützlinge zu Terminen auf dem Venusberg-Campus. Sie stehen ihnen nicht nur mit Rat zur Seite oder sorgen unbürokratisch für einen Rollstuhl, sondern stellen bei Anordnung durch die behandelnden Ärzt:innen auch zum Beispiel Kontakt zur Psychoonkologie, Ernährungsberatung oder zum Sozialdienst her. Sie sorgen für einen möglichst reibungslosen Ablauf rund um einer Krebsbehandlung. „Über persönliche Worte bauen wir ein Vertrauensverhältnis auf und stehen in ständigem Austausch“, betont Leven. Die Lotsinnen kennen den Menschen hinter der Patientenakte und können im engen Austausch mit dem ärztlichen Behandlungsteam spontan auf sich ändernde Bedürfnisse des Einzelnen reagieren.
Geben ein Gefühl der Geborgenheit
„Alle haben unsere Telefonnummer und können uns immer ansprechen,“ sagt Luppus. Dies nutzte auch Petra G., als sie zu Hause dramatisch an Gewicht verlor. Der Rat von Luppus lautete: „Sie müssen sofort her kommen.“ Anschließend wurde die Krebspatientin zur Parenteralen Ernährung (PE) durch Infusionen ins Klinikum aufgenommen und versorgt, so dass sie wieder einige Pfunde zunahm: „Ohne die Patientenlotsinnen hätte ich mich in den vergangenen sechs Jahren sehr allein gefühlt. Sie wissen wovon sie reden und was sie tun. Sie sind unersetzlich.“ Die Patientenlotsinnen nutzen das Angebot der Supervision zur Reflexion der Erlebnisse in ihrem Arbeitsalltag. Darüber hinaus suchen sie einen Ausgleich durch Ausflüge in die Natur, aber trotzdem geht ihre Arbeit nicht spurlos an ihnen vorbei. Die Patientenschicksale begleiten sie häufig nach Hause. „Wir erleben täglich wie Menschen mit der Diagnose Krebs umgehen, nicht selten geht es um Leben und Tod. Wir können das Erlebte nicht einfach abstreifen und in der Klinik lassen, denn wir sind ja emphatisch“, sagt Leven. „Aber, wenn wir das nicht wären, dann wäre es auch nicht der richtige Job für uns.“