Frau Kröger, Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Medaille. Wie geht es Ihnen nach dem Gewinn?
Ich fühle mich relativ normal, aber der Gewinn gibt mir mehr Selbstbewusstsein. Jetzt kann ich auch öffentlich mit ruhigem Gewissen eine ungeschriebene Stilregel des Radsports brechen: Mit kurzen Socken Radfahren, was eigentlich verpönt ist. Vereinzelt kommen noch Interviewanfragen und Ehrungen, etwa für die Abschlussgala, den „Ball des Sports“ der Stiftung Deutsche Sporthilfe.
Wie haben Sie die Zeit vor und in Japan erlebt?
Anfang Juli ging es zum Trainings-lager nach Frankfurt an der Oder für die letzten Vorbereitungen. Nach einer dreitägigen Pause daheim flogen wir für rund zehn Tage nach Tokio. Dort lässt man Luft dran. Besser wird man vor dem Training kurz vor den Rennen auch nicht mehr. Pandemiebedingt waren wir sowieso eingeschränkt, und wir waren nicht im Olypmischen Dorf, sondern im Cycling-Village untergebracht, rund drei Stunden außerhalb, auf einem Berg, schön mitten im Wald. Das war ruhiger und angenehmer.
Ein mediales Thema waren ja die Betten aus Karton.
Kröger (lacht): Die waren so bequem! Ich weiß gar nicht, was die an-deren hatten, ich habe sehr gut drinnen geschlafen!
Hatten Sie nach Ihrer Rückkehr mehr Zeit?
Direkt nach den Spielen stand ein Umzug aus Bonn weg nach Hürth an, in eine WG mit befreundeten Radfahrenden. Das war härter als die gesamten Olympischen Spiele zusammen, hat mich sehr auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. (lacht). Ich hatte ja nicht damit gerechnet, zu gewinnen.
Wie vereinen Sie Spitzenleistungssport und ihr Studium der Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften?
Die Uni unterstützte mich dabei mit dem Programm Studium und Spitzensport. Ich bekomme natürlich keine Noten geschenkt und muss wie jeder andere lernen. Aber ich durfte etwa mal eine Matheklausur bereits am Tag der Probeklausur schreiben, weil ich am eigentlichen Termin bei einer WM war. Oder die Anatomieprüfung mündlich ablegen. Wenn man die Dozierenden anspricht, gibt es Verständnis und Entgegenkommen. Wenn ich Kommunikationssüchtiger wäre, hätte ich mir sicher mehr Unterstützung holen können, aber ich war lange ein Sturkopf und wollte es schaffen wie jeder andere. Jetzt im Wintersemester habe ich mich wieder für Module angemeldet, damit auch mal der Kopf trainiert wird.
Was interessiert Sie an Ihrem Fach?
Naturwissenschaftliche Dinge interessieren mich. Und es hat ja schon eine große Relevanz im Radsport. Das Thema Ernährung ist in den letzten Jahren stark in den Vordergrund gerückt. Es ist spannend zu erfahren, wie der Körper funktioniert, und was eine Banane im Körper anstellt. Und wenn der Trainer sagt, was man essen soll, dann lernt man es noch einmal biochemisch, das macht richtig Spaß. Ich habe das Studium an-gefangen, weil es mich interessiert, nicht mit einem festen Plan für mein Berufsleben. Später zieht es mich vermutlich eher fachlich in Richtung Reha als zum Leistungssport.
Wo trainieren Sie in und um Bonn gerne Fahrrad?
Ich bin immer gerne fürs Intervalltraining im Siebengebirge das Schmelztal hochgefahren. Es hat eine gleichmäßige Steigung und ist nicht zu steil, genug für je acht bis zehn Minuten lange Intervalle. Man ist schnell im Siebgengebirge. Wenn es länger sein sollte, dann geht es in die Eifel, für Erholungsrunden auch mal die Sieg entlang. Aber nur bei schlechtem Wetter, weil sonst zu viele Leute unter-wegs sind.
Wissen die Kommiliton:innen um Ihren Medaillengewinn oder Ihren Sport?
Dadurch, dass ich mein Studium etwas gestreckt habe, habe ich keine Kommiliton:innen, mit denen ich von Anfang an in den Kursen sitze. Aber wenn es Lerngruppen oder Tutorien gibt, jetzt in Corona-Zeit via Zoom, dann kam es schonmal zur Sprache. Dann wurde gratuliert, obwohl man sich lange nicht gesehen hat.
Was begeistert Sie fürs Bahnradfahren?
Ich war 15, dachte mir, ’och so ein Rennrad wäre etwas Feines‘. Ich bilde mir ein, dass ich auf dem Schulweg einen Rennradfahrenden gesehen, und gedacht habe: ’Das kann ich auch‘. Vielleicht war es auch Phantasie. Als ich den Wunsch äußerte, schickte mich meine Mutter erst einmal fürs Probetraining in den Verein, da ein Rennrad eine teure Anschaffung ist. Ich habe ein Probetraining gemacht, bin dabeigeblieben, kaufte mein erstes gebrauchtes Rad für 120 Euro. Danach war ich stark infiziert, gewann mein erstes Rennen. Der Landesverband wurde auf mich aufmerksam, und dann ging es los.
Dieses Jahr ist ja Ihr großes Erfolgsjahr! Welche Meisterschaften standen nach Olympia noch an?
Die Saison ging noch bis Ende Oktober. Zuerst folgte die Straßenradsport-Weltmeisterschaft mit Gold im Mixed, dann fuhr ich bei Paris–Roubaix. Es war ein dramatisches Rennen mit viel Matsch und auf Kopfstein-pflaster. Erstmals durften auch Frauen dort mit an den Start. Zuletzt folgten die Bahn EM in der Schweiz, wieder mit Gold, und gleich darauf die Bahn WM, ebenfalls in Roubaix. Dort holten wir im Frauen-Vierer wieder Gold.
Wo befindet sich Ihre Medaille gerade?
Die Goldmedaille liegt aktuell relativ unspektakulär auf meinem Schreibtisch – immerhin nicht mehr im Reise-Gefrierbeutel.