Herr Link, Sie sind jetzt Professor in Zürich. Warum studieren Sie in Bonn?
Seit dem Wintersemester 2020/21 studiere ich in Bonn „Alt-Katholische Theologie und Ökumenische Theologie“ mit Ergänzungsqualifikation Moralpsychologie. Der Master sollte mein letzter sein. Er ist noch ein Erbe aus der Zeit vor der Professorenstelle. Ich wollte später in meiner alt-katholischen Gemeinde in Regensburg als Geistlicher arbeiten und wäre zugleich gerne an der Universität Regensburg geblieben, wo ich einen Lehramtsstudiengang Pädagogik bei Verhaltensstörungen einschließlich inklusiver Pädagogik mitkonzipiert habe.
Theologie spielt in Ihrem Leben eine wichtige Rolle. Fast hatten Sie sich als „Bruder Damian“ bereits für das Klosterleben entschieden. Was hat Sie umgestimmt?
Die Entwicklungen in der bayerisch-deutschen Provinz des Augustinerordens haben mir zunehmend weniger Entfaltungsmöglichkeiten in meiner wissenschaftlichen Laufbahn gelassen. Ich fühlte mich dort emotional nicht mehr zu Hause. In dieser Zeit habe ich auch heimlich mit dem Studium in Bonn begonnen. Als mir klar wurde, dass ich als Bruder Damian keine Professorenstelle in Zürich werde antreten dürfen, fasste ich den Entschluss, mich nach einer Alternative umzusehen.
Durch Corona eröffnete sich also eine Möglichkeit für Sie?
Ja. Dank des digitalen Angebots ging mein langgehegter Wunsch in Erfüllung, in Bonn meine theologische Kompetenz bei Prof. Krebs sowie Moralpsychologie bei Prof. Sautermeister weiterzuentwickeln. Gerade die familiäre Atmosphäre im kleinen Masterstudiengang war trotz Pandemie eine gute Möglichkeit, sozi-al mit Studierenden und Dozierenden in Kontakt zu bleiben und sogar neue Freundschaften zu knüpfen.
In Bonn studieren, ohne Bonn kennen zu lernen – was ist das für ein Gefühl?
Bonn ist mir nicht so vertraut wie meine anderen Studienorte, da ich es eigentlich nur digital kennengelernt habe. Da fehlt mir schon etwas, wenn ich die anderen Studierenden von der Stadt und den Seminaren vor Ort reden höre. Ich freue mich in post-pandemischen Zeiten die Stadt neu kennenzulernen und vor allem mit dem Alt-Katholischen Seminar in geschwisterlicher Verbindung zu bleiben.
Was begeistert Sie an Heilpädagogik und Theologie?
Heilpädagogik hat ihre Wurzeln in der Multiprofessionalität und Interdisziplinarität von Medizin und Theologie. Ethische und gesellschaftliche Fragestellungen sind von besonderer Bedeutung und auch der Schatten des Nationalsozialismus liegt über diesen Disziplinen.
Heilpädagogik hat mit der christlichen Theologie gemeinsam, dass sie die verletzlichen Menschen an den Rändern, etwa Behinderte, psychisch Kranke, Straffällige, in die Mitte der Gesellschaft holt. Dass beide – je nach Konzept, zeithistorischer und kultureller Prägung – eher mehr auf der einen oder anderen Seite des Spannungsfeldes zwischen sozialer Ausgrenzung oder Integration jener verletzlichen Menschen sind. Die Frage Jesu an den blinden Bartimäus „Was willst Du, dass ich Dir tue?“ ist nach wie vor aktuell und stellt sich in Heilpädagogik wie Theologie.
Sie haben sich ohne fertige Promotion auf eine Professorenstelle beworben. Können Sie anderen Studierenden etwas mit auf den Weg geben?
Studierenden, die sich eine wissenschaftliche Laufbahn vorstellen können, rate ich: Machen Sie zuerst Ihre Doktorarbeit fertig. Und: Manchmal muss man die Gelegenheiten beim Schopf packen und sich ins kalte Wasser wagen. Den Mut hierzu wünsche ich allen.
Wird die Schweiz für Sie und Ihren Lebenspartner jetzt ein fester Bezugspunkt?
Ja, definitiv. Für uns beide war es ein Sprung ins Unbekannte. Wir fühlen uns in der Schweiz schon richtig hei-misch und hoffen, beruflich Wurzeln zu schlagen. Als Baden-Württemberger gibt es eine gewisse Affinität zur Schweiz und mit einem süddeutschen Professor können die Schweizer gut leben. Die vielen Stationen in Wissenschaft und Kirche haben mich zunehmend müde werden lassen und in mir die Sehnsucht nach Dauer und Beständigkeit geweckt, die ich jetzt in der Arbeit und in der Liebe wiederfinde. Freuen würde ich mich, ehrenamtlich meinen geistlichen Weg bei den Christkatholiken in Zürich weiterführen zu können – doch das steht noch in den Sternen.
Wir wünschen weiterhin viel Erfolg dabei!