Die Covid-19-Pandemie, das war Fluch und Segen zugleich für Sonja Lewandowski. An eine gewöhnliche Promotion war in der Zeit nicht mehr zu denken: „Zwar habe ich so viel geschrieben wie noch nie, vor allem in der ersten Phase der Pandemie. Aber man war lange auf sich gestellt“, äußert die ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin des DFG-Graduiertenkollegs Gegenwart/Literatur. In ihrer Promotion geht es um die Ausbildung von Autor*innen an akademischen Schreibschulen. Außerdem hätten Literaturveranstaltungen während Corona nochmal durch hybride und digitale Impulse eine ganz andere Konjunktur bekommen. „Ich habe gemerkt, dass da viel Luft nach oben ist. Es gibt einen Markt, um als Kulturkonzeptorin zu arbeiten.“, so die Literatursoziologin. Daher machte sie sich neben ihrer Promotion selbstständig.
Auch Vanessa Briese promoviert in Bonn, erforscht im Kolleg den Einfluss von Reisebloggenden auf den Literaturbetrieb. Im Qualifizierungs- und Betreuungsprogramm des DFG-Graduiertenkollegs können und sollen sich die Teilnehmenden in einschlägige literatur- und kulturwissenschaftliche Diskussionen einbringen, um ihre Forschungen in einem anspruchsvollen Forschungsumfeld zu fördern. Dazu gehören selbstredend der rege Austausch, sowie Kooperationen mit Kolleg*innen. Doch wie herausfordernd ein stetiger Dialog während einer Pandemie sein kann, haben beide aus erster Hand erfahren. Vanessa Briese startete 2020 am Kolleg, inmitten der Pandemie: „Es hat natürlich den Zusammenhalt in der Gruppe total erschwert, weil man sich nicht kannte und auch nicht alle in Bonn gewohnt haben, weder damals, noch heute. Und wenn alles nur online passiert, geht schon sehr viel verloren.“
Alleine zu Hause sitzen, einsam promovieren: Für Briese und Lewandowski fehlt da der dazugehörige Austausch. Viele Mitdoktorand*innen suchen sich zusätzliche Projekte, um ihren Alltag besser zu strukturieren. Vanessa Briese betont, dass die Mitgestaltung eines Festivals ihr während dieser Zeit enorm geholfen hat: „Weil man endlich wieder diese Energie spüren konnte, dass etwas in Kontakt mit Menschen passiert, man regelmäßige Termine als Team hatte und gemeinsam an einer Sache zu arbeiten einfach Spaß gebracht hat.“
Ein Literaturfestival für feministische Stimmen
Die Rede ist von einer hybriden Auflage des Festivals „Insert Female Artist“ 2021, welches 2018 von Sonja Lewandowski und Svenja Reiner gegründet wurde. Die Grundidee des Festivals ist es, dem männlich dominierten Literaturbetrieb weiblich gelesene Stimmen entgegenzusetzen. Das Festival gebe feministischen Künstler:innen und Autor:innen eine Bühne, um eine solidarische Vergemeinschaftung zu schaffen und den Diskurs über diskriminierende Gepflogenheiten des Gegenwartsliteraturbetriebs zu verändern.
Während ihrer Zeit am Graduiertenkolleg forschte Sonja Lewandowski in einem Literarischen Schreiben-Studiengang an der Kunsthochschule für Medien in Köln: „Ich habe mich ethnografisch mit dem Gegenwartsliteraturbetrieb beschäftigt. Das heißt ich war an einer Schreibschule in Köln, in einem Studiengang, in dem man literarisches Schreiben lernen kann und hab dadurch die Literaturszene Köln kennengelernt und da eben gesehen, wie männlich geprägt der Lektürekanon, das Personal, aber z.B. Lesungen sind. Also der Gender-Showgap, den gibt’s.“ Nach wie vor sind Frauen auch außerhalb des Literaturbetriebs deutlich benachteiligt.
Laut der Statistik des WSI-Gleichstellungsreports 2022 sind nur elf Prozent aller Vorstandsposten der 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt. Nur knapp mehr als ein Viertel aller Lehrstühle an deutschen Unis haben Frauen inne. Ein Ungleichstellung, auf das Projekte wie „Insert Female Artist“ ebenfalls aufmerksam machen wollen.
Forschung über Grenzen hinweg
Das Graduiertenkolleg unterstützt die Teilnehmenden bei Projekten wie diesen, denn die Idee ist es auch, wissenschaftliche Diskurse aus der Universität in andere Räume zu tragen und dort darüber zu diskutieren. Interdisziplinäres Arbeiten bedeutet eigene Ansätze und Denkweisen weiterzuentwickeln, indem man sich Methoden verschiedener Fachrichtungen aneignet.
Sonja Lewandowski ist dankbar für ihre Erfahrungen und nimmt einiges aus ihrer Zeit am Kolleg mit: „Das wertvollste, was man hat, ist Zeit, die einem dort gegeben wird. Das Graduiertenkolleg war für mich eine Möglichkeit, entschleunigt zu arbeiten und so Kraft nur für meine Projekte zu haben. Das Kolleg stellt eine dezente Infrastruktur bereit, in der man sehr kreativ werden kann.“
Auch Vanessa Briese freut sich bereits auf die zweite Hälfte: „Ich finde den Austausch mit den anderen Doktorand:innen total bereichernd und merke, alleine wenn man die Probleme, die man gerade hat, im Raum mit anderen artikuliert, dass man dann meistens schon einen Schritt weiter ist. Diesen Dialog finde ich schon sehr wesentlich für eine erfolgreiche Zeit in der Promotion.“