Jetzt als Visual Story lesen
Entstanden aus der Uni-Auswahlmannschaft
Es steht Neun zu Vier: Uli Vogt und Gerd Fobbe gehen in den Zweikampf. Kurz darauf knallt der Ball ins Tor der Soccerbox beim jährlichen Uni-Klassiker Fußballspiel, das heute zum 50jährigen Jubiläum auf Einladung von Hochschulsport-Chef Dr. Peter Preuß wieder auf dem Sportgelände des Venusbergs stattfindet.
Hier oben kennen sich die „Klassiker“ aus, viele haben hier studiert und gespielt. 1972 erreichten sie, damals noch als Bonner Universitäts-Auswahl, das Viertel- und 1973 das Halbfinale der Deutschen Hochschulmeisterschaften. Doch als der AStA die Antrittsgebühren von 25.000 DM nicht mehr zahlen wollte, zerschlugen sich die Titelhoffnungen im Folgejahr. Immerhin: Im Gegenzug unterstützte die Studierendenvertretung die „Uni-Klassiker“ bei späteren Reisen, immer gepaart mit Spielen gegen örtliche Mannschaften in aller Welt.
Sportlich erfolgreich
Viele der Spieler kickten in den Amateuroberligen, in der zweiten Liga etwa beim Bonner SC, beim FC Godesberg, oder waren bei den Leichtathletik-Hochschulmeisterschaften dabei. Am Rand der Soccerbox sitzt Prof. Jürgen Buschmann. Über beide Knie ziehen sich OP-Narben, Sportverletzungen, wie bei fast allen Spielern. „Ein Geschenk von Overath“, stellt Buschmann trocken fest. 1973 spielte er für den FC Ringsdorff-Godesberg gegen den FC Köln im neueröffneten Pennefeld-Stadion, habe bereits einen Vorvertrag für die zweite Liga gehabt.
Nach Fouls ging Overath vom Platz, Buschmann mit gerissenen Kreuzbändern in den OP. Die Profi-Karriere war vorbei, stattdessen begann seine akademische Laufbahn. Buschmann studierte Sport, Anglistik und Pädagogik zu Ende, wurde erst Gymnasiallehrer, ging später zur Deutschen Sporthochschule, und arbeitete als Direktor des Zentrums für Olympische Studien. Für den Trainerstab der deutschen Fußball-Nationalmannschaft war er von 2005 bis 2014 im Bereich „Spielanalyse“ und „Scouting“ tätig.
Eine Mannschaft wie eine Familie
Wie Buschmann waren viele Mannschaftsmitglieder beruflich erfolgreich, wurden Lehrer, Ärzte, Juristen. Spieler Uli Vogt ist heute noch beim DFB, als TV- und Medienkoordinator. Neben Beruf und Familie hielten sie aber immer der Mannschaft die Treue.
Am Spielfeldrand steht Gustel Houtrow. In der Soccerbox knallt der Ball ins Netz. „9:6“, ruft er. Er hat Corona-bedingt Spielverbot, hat sich gestern freigetestet. Wie jedes Jahr ist er dabei. Heute, vor exakt 47 Jahren, wurde sein Sohn geboren, berichtet er beiläufig. Damals stand er einen Tag später beim traditionellen Dies Academicus-Turnier des Instituts für Leibeserziehung für die Klassiker auf dem Platz. Die Klassiker holten den Turniersieg und gewannen 50 Liter Bier. Anschließend ging es ins Stammlokal „Apfel“.
Das Fußballspielen gehörte auch weiterhin dazu, wenn auch nicht mehr so ehrgeizig, wie in den ersten Jahrzehnten. Dafür ist die Gemeinschaft immer wichtiger geworden. Die Reisen nahmen mehr Raum ein und führte zu Anekdoten und Geschichten, die bei jedem gemeinsamen Treffen wieder „anklingen“.
Mexiko in Bonn
Ein besonderes Highlight war als die damaligen Studenten in einer Nacht- und Nebelaktion die mexikanische Olympia-Auswahl nach Bonn holten. Anfang 1975 entdeckte Uni-Klassiker und Trainer Klaus Kleinöder eine Kleinanzeige im Amtlichen Mitteilungsblatt des Fußballverbands Mittelrhein. Die Mexikaner suchten Spielpartner in Deutschland. Die Studenten organisierten den Besuch, und im März stand eine etwas verdutzte Nationalauswahl mit 19 Spielern und sechs Funktionären am Köln-Bonner Flughafen und blickte auf klapprige Kleinwagen der rund 20 Studenten, die sie in eine drittklassige Absteige nach Godesberg verfrachteten.
Vier Testspiele hatten die Uni-Die Klassiker für die Auswahl organisiert. Die Mexikaner, die ansonsten schonmal vor 120.000 Zuschauern gegen Brasilien spielten, traten jetzt an in Plaidt, gegen den FC Bad Neuenahr, Westfalia Herne und vor 400 Zuschauern gegen den SSV Siegburg. Begleitet wurde der Besuch von einem studentischen Kultur- und Abendprogramm – und der Zusage für einen Gegenbesuchs im Sommer.
Ein Teil des Antrittsgeld bei den vier Spielen konnten die Studenten behalten, den Rest verwaltete Funktionär Joaquin Badillo Sandoval. „Davon haben wir dann die Reise nach Mexiko zum Teil mitfinanziert“, stellt Bernd Siegloch fest. Doch kurz vor Abflug drohte das Projekt zu kippen, erinnert sich Siegloch. „Am Tag der Abreise, kam der Anruf, dass wir nicht kommen sollten“, erinnert er sich. Die Klassiker flogen dennoch, und nach Verhandlungsgeschick vor Ort konnten die Studenten drei Wochen lang durch Mexiko reisen und Fußballspielen.
Empfang und Stammlokal
„15:9, letztes Tor zählt“, ruft jemand. Kurz darauf ist Abpfiff. Die 13 Klassiker, die es heute geschafft haben, ziehen sich um und fahren zur alten Sternwarte. Dort trafen die Jubilare auf Prorektor Prof. Dr. Klaus Sandmann, der der Mannschaft zu ihrer „kollektiven Lebensleistung“ gratulierte: „Sie waren und sind über ein halbes Jahrhundert Botschafter des Sports und der Universität Bonn. Und Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Universität Menschen zusammenbringt und weit über die Studienzeit hinaus miteinander verbindet.“
Nach dem Empfang geht es erst ins Gasthaus „Em Höttche“ zum Dia-Vortrag von Reinhold Herrmann „50 – Jahre Uni-Klassiker“, dann ins Südstadt-Stammlokal „Apfel“, das heute BarRoon heißt. „Das wichtigste ist nicht mehr der Fußball, sondern das Zusammensein“, so Werner Tübben. Dort lassen sie den Abend ausklingen – und planen die nächste Tour durch die Welt.