„Wir haben tatsächlich mit dem Schlimmsten gerechnet“, erinnert sich Prof. Dr. Waldemar Kolanus, der Direktor des LIMES-Instituts. Er und seine Kolleg*innen betreiben interdisziplinäre Grundlagenforschung im Bereich von Biologie und Biomedizin. Zu Beginn der Debatten habe sie umgetrieben, was aus den Mäusen in der Tierhaltung werden würde, sollte es zu einer echten Energieknappheit kommen – und die Klimaanlagen und Lüftungen bei den Tieren ausfallen. „Da haben wir mit unseren Kollegen vom Universitätsklinikum Bonn erste Absprachen getroffen, eine Art Arche-Noah-Projekt ins Leben zu rufen und zumindest einige Tierlinien dort in der Tierhaltung unterzubringen.“
Zum Glück musste dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt werden. Doch Energie einzusparen ist seitdem eine wichtige Aufgabe für die gesamte Universität. Das anspruchsvolle Ziel: mindestens 20 Prozent sollen eingespart werden, ohne dabei Forschung und Lehre zu behindern. 40 Universitätsgebäude stehen dabei besonders im Fokus, denn sie sind für knapp 80 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Dazu gehören das Hauptgebäude und die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB), aber auch Forschungsgebäude mit umfangreicher Lüftungs- und Klimatechnik, Hightech-Geräten und Kryo-Kühlungen.
Anika Veith leitet das Sachgebiet Energiemanagement der Uni und war in den vergangenen Monaten in vielen Gebäuden unterwegs. Sie leitet eins von sieben Energieteams, die mit Expert*innen aus den Bereichen Heizung, Klima, Elektro und Energiemanagement zusammengesetzt sind und die Institute bei ihren Einsparbemühungen unterstützen. „Wir haben natürlich zu Beginn selbst nicht gewusst, wie gut unsere Maßnahmenvorschläge wirken würden“, sagt die Energieexpertin rückblickend.
20 Prozent Energieeinsparung, das sind immerhin etwa 17 Megawattstunden an Energie, die von vergangenem Dezember bis Ende November dieses Jahres weniger verbraucht werden sollen. „Würde man mit dieser Energie ein Elektrofahrzeug laden, könnte man die Erde rund 2.200 Mal umrunden“, setzt Veith die Zahl ins Verhältnis. Umso mehr freue sie sich, dass die Maßnahmen schon große Erfolge zeigten. „In den ersten zwei Monaten der Messperiode haben wir alle gemeinsam bereits etwa 6,7 Megawattstunden eingespart.“ Das sei ein sehr gutes Ergebnis.
Im Fall des LIMES-Instituts sorgten vor allem die Sterilisationsautomaten, die sogenannten Autoklaven, für einen enormen Gasverbrauch. Denn für die Erzeugung von Dampf und konstantem Druck muss eine Menge Gas eingesetzt werden. Und ohne Sterilisation von Käfigen und Flüssigkeiten können in dem Institut keine reproduzierbaren Forschungsergebnisse erzielt werden.
„Ich war selbst verblüfft, was für Einsparpotenziale wir haben und wo die eigentlichen Verbräuche liegen“, so Kolanus. Gemeinsam mit dem Energieteam konnte für dieses Problem eine überraschende und im Prinzip sehr einfache Lösung gefunden werden. „Durch die intensive Zusammenarbeit mit der Technikabteilung, deren Mitarbeiter eine systematische Überprüfung der Anlage durchgeführt haben, hat sich herausgestellt, dass wir die Kessel deutlich stärker beheizt hatten, als das eigentlich nötig gewesen wäre“, so Kolanus. Eine Tatsache, die vorher nicht aufgefallen sei, da die Energiebilanz bei niedrigen Gaspreisen keinen so hohen Stellenwert hatte. Dieser Mehrverbrauch konnte daher durch Optimierung der Dampfdruckregulierung direkt abgestellt werden. Ohne Produktivitätseinbußen konnte so alleine der Gasverbrauch im Institut im Dezember und Januar um rund 20 Prozent im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren gesenkt werden.
Auch Cornelia Löhne, die Kustodin des Botanischen Gartens, ist erstaunt über die enormen Reduzierungen, die man in den letzten Monaten erzielt hat. Gemeinsam mit den gärtnerischen und technischen Teams hatte man sich unter anderem die wertvollen und seltenen Pflanzen in den Gewächshäusern angeschaut und die genaue Herkunft ermittelt. „Dabei haben wir festgestellt, dass die meisten Pflanzen im Regenwaldgewächshaus eine um sechs Grad kältere Temperatur vertragen müssten“, erklärt Löhne. Damit ist das einst schwül-warme Gewächshaus mittlerweile genauso kühl, wie die Büros der Uni – nämlich 19 Grad. „Es fühlt sich aktuell nicht mehr so tropisch an, aber bisher vertragen die Pflanzen die Temperaturänderung gut und wir sind zuversichtlich, dass sie durch den Winter kommen,“ so Löhne.
Diese und weitere Maßnahmen habe in den Gärten im Dezember und Januar bereits 22 Prozent an Wärmeenergie eingespart. „Wir werden das selbstverständlich beibehalten, wenn die Pflanzen es auch mittelfristig gut vertragen“, so die Expertin. Das Ergebnis motiviere sie und ihr Team dazu, auch weitere Einsparpotentiale zu heben – beispielsweise bei den alten und teilweise einfachverglasten Gewächshäusern. Doch das lässt sich nicht so schnell umsetzen.
Genau dieser Blick auf weitere Einsparpotenziale ist für Holger Gottschalk, den Kanzler der Universität, in dieser Phase besonders wichtig. „Die jetzigen Einsparungen sind ein toller Erfolg und konnten nur gelingen, weil sich alle eingebracht haben.“ Vor allem die Einsparungen beim Thema Wärme seien beeindruckend. Manche Gebäude, wie die ULB, konnten so rund 50 Prozent ihres Energieverbrauchs senken. „Jetzt ist es aber wichtig, nicht nachzulassen und in den wärmeren Monaten vor allem beim Strom neue Wege zu gehen – beispielsweise durch die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen. Wir wollen hier gerne weitere Möglichkeiten ausschöpfen,“ so Gottschalk. Das sei nicht nur in der akuten Krise wichtig, sondern auch für eine nachhaltige Entwicklung der Uni.
Für Anika Veith ist das Zwischenergebnis eine echte Teamleistung. „Wir konnten das nur so gut umsetzen, weil die Prioritäten klar auf diesem Thema liegen.“ Nicht nur die 20 Kolleg*innen der Energieteams, sondern auch die Gesprächspartner*innen der Institute seien unglaublich engagiert gewesen und hätten sehr kreative und wirksame Maßnahmen vorgeschlagen. „Von daher bin ich optimistisch, dass wir unser Einsparziel in diesem Jahr erreichen werden.“ Nils Sönksen