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Prof. Dr. Sabine Feist von der Christlichen Archäologie und Dr. Matthias Lang vom Bonn Center for Digital Humanities planen eine virtuelle Aufbereitung. Beide waren im letzten Herbst in Venedig und haben mit Kameras einen dreidimensionalen Scan der Krypta aufgenommen, der derzeit bearbeitet wird.
„Das venezianische Beispiel eignet sich in besonderem Maße für eine virtuelle Aufbereitung“, sagt Prof. Feist. Die Krypta des Markusdoms gewährt Einblick in eine Vielzahl zentraler Aspekte der Christlichen Archäologie, die durch das Studium herkömmlicher Karten, aber auch bei einem Besuch vor Ort verborgen bleiben. Die Krypta des Markusdoms bildet das architektonische und sakrale Zentrum des Gotteshauses: Dort wird das Grab des namensgebenden Patrons verehrt. Exakt oberhalb der Grabstätte befindet sich der Altar der oberirdischen Kirche.
In welchem Maße Krypta und Kirche aufeinander bezogen sind, kann aber nur bedingt anhand von Grund- und Aufrissen vermittelt werden. „Auch der ohnehin nur in Ausnahmefällen und mit besonderer Genehmigung mögliche Besuch der unterirdisch gelegenen Anlage vermag es wegen der strikten Abgrenzung einzelner Bereiche nicht, diese enge Verbundenheit und die damit einhergehende Bauidee vor Augen zu führen“, sagt die Archäologin, die Mitglied im Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies und im Transdisziplinären Forschungsbereich „Present Pasts“ ist.
Optimale Bereicherung für die Lehre
Die digitale Visualisierung der Krypta des Markusdoms, die den Studierenden dreidimensionale Einsichten und virtuelle Besuche ermöglicht, sei eine optimale Bereicherung für die Lehre, ist Sabine Feist überzeugt. Anhand der Virtual Collaboration-Fallstudie können wesentliche Aspekte der Christlichen Archäologie, wie etwa die Bedeutung von Heiligen und deren Gräbern oder Reliquien, für die christliche Sakralarchitektur anschaulich vermittelt werden. Und dies ohne Reisekosten und unvorhersehbare Risiken wie das Hochwasser, das die Lagunenstadt regelmäßig überflutet und den Markusdom samt Krypta unzugänglich macht.
Ohne nasse Füße zu bekommen und bei Schonung ihres Geldbeutels können Studierende aktuelle Forschungsfragen diskutieren: Gehörte die Krypta schon zur ersten Markuskirche des 9. Jahrhunderts oder entstand sie erst zeitgleich mit dem heutigen Markusdom im 11. Jahrhundert? Wo genau befinden sich Grab oder Reliquien des Heiligen Markus? Feist: „Zwar scheint die zweistöckige Säulenarchitektur im Zentrum der Krypta für eine Grablege konzipiert, doch ist eine solche an dieser Stelle nicht vorhanden.“
Das ist erst der Anfang: „Das Projekt kann ohne größeren personellen wie finanziellen Aufwand erweitert werden“, sagt die Archäologin. Möglich wäre zunächst eine Untersuchung der Krypta von San Liberale in Treviso (Venetien), die als Kopie der Krypta des Markusdoms gilt. Der Aufbau einer Datenbank für 3D-Modelle wäre nach Ansicht der Wissenschaftlerin für den Lehrbetrieb der Christlichen Archäologie ein Meilenstein, mit dem methodisch veraltete Apparate kurzfristig ergänzt und langfristig abgelöst werden könnten.
Johannes Seiler