Denkmalgeschütztes Bürogebäude und neue Arbeitswelt – passt das zusammen? Sehr gut sogar, wie ein Projekt der Universität Bonn beweist. Da das Hauptgebäude umfassend saniert werden muss, sind 300 Mitarbeitende von dort in das ehemalige Gebäude des Deutschen Herolds an der Poppelsdorfer Allee umgezogen. Hier arbeiten sie in einer innovativen Bürolandschaft, die neue Formen der Zusammenarbeit ermöglicht und fördert.
Außen 50er-Jahre, innen moderne Arbeitswelt – so präsentiert sich ein neues Ausweichquartier für 300 Mitarbeitende der Universität Bonn. Die Teile der Univerwaltung, die bislang im Hauptgebäude untergebracht waren, haben nur 500 Meter weiter an der Ecke Poppelsdorfer Allee/Bonner Talweg eine neue Bleibe gefunden. Die goldene Frakturschrift „Deutscher Herold“ an der gläsernen Eingangstür verrät noch den ursprünglichen Eigentümer. Mehrere Dezernate und Abteilungen der Verwaltung, das Archiv, die Druckerei und die Poststelle der Universität sind nun hier untergebracht. Nicht zuletzt fiel die Wahl auf dieses Interimsquartier, weil die Mitarbeitenden so in unmittelbarer Nähe zu den übrigen Verwaltungseinheiten und dem Rektorat arbeiten können.
Weiterer Schritt zur Sanierung des Hauptgebäudes
Sie mussten das Unihauptgebäude verlassen, weil es in den kommenden Jahren aufwendig saniert wird. Denn so schön das gelbe Barockschloss im Herzen der Stadt auch ist, sind Elektrik und Fenster doch spürbar in die Jahre gekommen, in Sachen Brandschutz muss nachgebessert werden und an einigen Stellen bröckelt der Putz. Mindestens zehn Jahre wird es dauern, das Bonner Wahrzeichen auf den neuesten Stand zu bringen – ein echtes Mammut-Projekt.
Dass in dieser Herausforderung aber auch eine Chance liegt, hat die Universität Bonn erkannt. „Der Umzug in den Herold war für uns eine günstige Möglichkeit, die Räume dort so zu gestalten, dass sie den Anforderungen an eine zeitgemäße Universitätsverwaltung gerecht werden“, erläutert Holger Gottschalk, Kanzler der Universität Bonn. Schließlich habe sich das Selbstverständnis der Verwaltung in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt – weg von einer Behörde, hin zu einer modernen Einrichtung des Wissenschaftsmanagements.
New Work als zentrales Thema der Hochschulentwicklung
Entsprechend wurde das Herold-Gebäude vor dem Einzug nicht nur modernisiert, sondern auch in einen innovativen Bürostandort umgebaut, der ein passendes Umfeld für Projektarbeit und kollaboratives Arbeiten bietet. „New Work ist für uns ein zentrales Thema in der Hochschulentwicklung. Die neuen Räume im Deutschen Herold fördern und ermöglichen gezielt neue Formen der Zusammenarbeit“, betont Gottschalk.
Auf einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratmetern finden sich rund 300 Arbeitsplätze in Büros und Open Spaces, mehrere Besprechungs- und Seminarräume, Teeküchen und ein Eltern-Kind-Raum. „Mehr Flexibilität, mehr Platz für Begegnung und Austausch, ein angenehmes Arbeitsumfeld – das waren die wichtigsten Anliegen der Mitarbeitenden. Wir haben ein breites Spektrum an Räumen geschaffen, damit alle den besten Ort für ihre jeweilige Tätigkeit finden“, erklärt Marion Duisberg, Leiterin des Dezernats Liegenschaften, das für die bauliche Umsetzung verantwortlich war. Durch diese neue Konzeption der Räume wird es möglich, auf einer Gesamtfläche, die der im Hauptgebäude entspricht, zukünftig auch Personalaufwuchs unterzubringen, und damit den Vorgaben des Landes Rechnung zu tragen, durch neue Arbeitsmodelle Mietflächen und damit Mietkosten einzusparen.
Innovative Büros steigern die Arbeitgeberattraktivität
Die neue Bürolandschaft stärkt auch die Arbeitgeberattraktivität der Uni Bonn, ist der Kanzler überzeugt: „Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels wird es immer wichtiger, ein modernes Arbeitsumfeld zu bieten, in dem sich die Mitarbeitenden wohlfühlen“, sagt Gottschalk. „Das Projekt hat die Universität daher auch in Sachen Employer Branding einen großen Schritt nach vorne gebracht.“
Dass sich hinter der neoklassizistischen Fassade des Herold-Baus eine innovative Arbeitswelt verbirgt, ist von außen nicht zu erahnen. Auch drinnen springen zunächst die historischen Elemente ins Auge: die Mosaike, die helle Natursteinverkleidung und die bronzenen Deckenleuchter.
Tritt man dann vom Treppenhaus in eine der Büroetagen, wird man mit nur einem Schritt aus den 1950er-Jahren ins Jahr 2024 katapultiert: weiße Wände, schallschluckender Teppichboden, höhenverstellbare Schreibtische mit je zwei Monitoren und einem ergonomischen Bürostuhl, Akustikelemente, Pflanzen sowie verschiedene Sitzmöbel in den Unifarben Gelb, Blau und Grau. Modern, hell und einladend wirkt das – ein starker Kontrast zu den sanierungsbedürftigen Räumen im Hauptgebäude, in denen die Mitarbeitenden zuvor gesessen haben.
Die Teams haben ihre Räume mitgestaltet
Die Abteilungen, die in den Deutschen Herold umgezogen sind, haben ihre Räume mitgestaltet. Michael Prill beispielsweise, der das Programm Digitalisierung administrativer Prozesse (PDaP) leitet, hat gemeinsam mit seinem Team zunächst in einem Workshop grundlegend reflektiert: Wie arbeiten wir zusammen? Wie sind wir als Team produktiv? „Der Umzug war ein Auslöser, uns nochmal tiefergehend mit diesen Fragen zu beschäftigen“, so Prill.
Anschließend ging es an die konkrete Planung: „Wir mussten darauf achten, dass wir alle Arbeitsformen, für die wir das Büro brauchen, abgebildet bekommen. Also: Bereiche für Stillarbeit, Kollaboration, hybride Meetings und Projektarbeit.“ In mehreren Workshops mit einem Büroeinrichter und den anderen Abteilungen, die in das Gebäude gezogen sind, entstand so nach und nach eine multifunktionale Bürolandschaft für die insgesamt neun PDaP-Mitarbeitenden.
Open Space für Austausch und Kollaboration
Im PDaP-Bereich gibt es drei Einzelbüros mit je einem Schreib- und einem kleinen Besprechungstisch. Sie eignen sich für konzentrierte Einzelarbeit, Telefonate und ungestörte Gespräche zu zweit. Darüber hinaus hat das Team zwei Projekträume eingerichtet – einen klassischen und einen multifunktionalen mit Videokonferenzlösung und Tischen, deren Platten sich hochkant klappen und wie Whiteboards beschreiben lassen. Hier finden vor allem Projektarbeit, hybride Meetings und größere Videokonferenzen statt.
Im Open Space schließlich stehen drei Schreibtische, ein hoher Besprechungstisch, an dem man wahlweise stehen oder auf hohen Hockern sitzen kann, sowie zwei kleine Sofas mit besonders hohen Rückenlehnen, die einen abgeschirmten Raum schaffen für Gespräche mit bis zu vier Personen. Auf Telefone und Videokameras hat das Team bewusst verzichtet: „Open Space bedeutet nicht Großraumbüro, sondern dass man gemeinsam arbeitet, sich austauscht, miteinander vernetzt“, betont Prill.
Manche Dezernate haben persönliche Büros abgeschafft
Gleichzeitig wurden bei PDaP auch die persönlichen Büros abgeschafft. Wer hier morgens ins Büro kommt, sucht sich seinen Arbeitsplatz entsprechend der Aufgabe, die als nächstes ansteht – für ein Brainstorming im Team etwa einen Projektraum, für ein ungestörtes Telefonat ein Einzelbüro. So wechseln Mitarbeitende oft mehrmals am Tag den Raum. Damit ist PDaP nicht alleine. Viele Dezernate, die im Herold-Gebäude sitzen, halten nicht mehr für alle Mitarbeitenden einen festen Arbeitsplatz vor. Diese Flexibilisierung plus die Möglichkeit, vom Homeoffice aus zu arbeiten, haben auch dazu geführt, dass die Bürofläche pro Person leicht reduziert werden konnte.
Damit die Zusammenarbeit in der neuen Bürowelt möglichst reibungslos funktioniert, hat sich das PDaP-Team eine Clean Desk Policy gegeben. Alle räumen abends den Arbeitsplatz komplett frei, damit er am nächsten Tag von jemand anderem genutzt werden kann. Dafür haben alle Mitarbeitenden einen eigenen Rollcontainer, in dem sie ihre Arbeitsmittel, aber auch persönliche Dinge verstauen können.
Doch nicht alle Dezernate im Herold haben persönliche Büros komplett abgeschafft. Einen anderen Weg geht etwa das Dezernat für Personalmanagement, das mit rund 90 Mitarbeitenden zwei Etagen im Gebäude einnimmt. Hier wird noch viel mit Papierakten gearbeitet, Datenschutz ist ein wichtiges Thema. Entsprechend haben die meisten Mitarbeitenden weiterhin ihr eigenes Büro. „Einzelbüros sind für uns teils notwendig, weil wir sensible Gespräche führen – da ist Vertraulichkeit wichtig“, erklärt der stellvertretende Dezernatsleiter Thomas Rosenkranz. Dennoch gibt es auch hier einen Open Space, der von den Mitarbeitenden gerne genutzt wird. Das Team für Reisekostenabrechnung zum Beispiel trifft sich dort regelmäßig zum Austausch.
Mehr Möglichkeiten für Begegnungen
Aber nicht nur der Open Space schafft mehr Möglichkeiten für Begegnungen. Auch, dass das Dezernat nun nicht mehr wie im Hauptgebäude räumlich stark verteilt, sondern wesentlich kompakter untergebracht ist, trägt dazu bei. Das schafft Synergieeffekte zwischen Abteilungen, die im Schloss eher wenige Berührungspunkte hatten. Auch die Abteilungsleiterinnen und -leiter sitzen nun sehr nah beieinander. „Die Begegnungen im Dezernat sind durch den Umzug intensiver, die Kommunikation lockerer und offener geworden. Das empfinden die Mitarbeitenden als sehr positiv“, sagt Rosenkranz.
Ähnliche Erfahrungen macht auch die Stabsstelle Personalentwicklung, Organisationsentwicklung und Gesundheitsmanagement. 20 Personen in vier Teams arbeiten hier. Vor dem Umzug war die Abteilung in der Alten Sternwarte untergebracht, hauptsächlich in Einzelbüros. „Wir sind teils richtig vereinsamt. So ging uns viel Wissen verloren“, schildert Stabsstellenleiterin Nicola Thiele die Situation, die sich durch Corona noch verschärft hatte. Der Umzug in die neuen Räume machte einen Neustart möglich. Schnell stand daher fest, wie die Stabsstelle ihren Open Space nutzen will: als offene Begegnungsfläche. „Wir wollen die Idee von New Work leben, viel stärker zusammenarbeiten und uns besser miteinander vernetzen“, so Thiele. Das gelingt offenbar: „Oft treffen sich jetzt Mitarbeitende im Open Space zu spontanen Meetings. Die verschiedenen Teams vermischen sich auch viel stärker als früher.“
Alle Möbel sind flexibel
Im vorderen Bereich des Open Space befinden sich mehrere Steh- und zwei Schreibtische – „die beiden beliebtesten Arbeitsplätze auf unserer Etage“, so Thiele. Für hybride Besprechungen steht ein mobiler Bildschirm bereit. Im hinteren Bereich sind verschiedene Sitzgelegenheiten auf der Fläche verteilt. Alle Möbel sind flexibel, lassen sich dank Rollen einfach im Raum herumschieben und mühelos komplett neu anordnen. Der Open Space stärkt aber nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb der Stabsstelle. Er steht auch allen Mitarbeitenden im Haus offen und kann etwa für Besprechungen genutzt werden.
Auch wenn die neue Bürolandschaft gut aufgenommen wird, gab es im Vorfeld durchaus Sorgen seitens der Mitarbeitenden, wie Thiele berichtet. Etwa: Was passiert, wenn ich ins Büro komme und kein Schreibtisch für mich frei ist? Und wo lasse ich meine persönlichen Sachen, wenn ich kein eigenes Büro mehr habe? Solche Ängste ließen sich durch viel Kommunikation und einen engen Austausch nehmen. „Ich habe so viel wie möglich ins Team hinein berichtet“, betont Thiele.
Spontan eigenes Raumbuchungssystem entwickelt
Auf Herausforderungen, die sich aus der neuen Arbeitssituation ergeben, reagiert das Team agil: „Wir probieren aus, was funktioniert. Und was nicht klappt, machen wir anders“, so Thiele. Ein gutes Beispiel dafür ist das Raumbuchungssystem. Als beim Einzug noch kein Tool dafür bereitstand, entwickelte das Team spontan selbst eines. Auf dem Whiteboard im Eingangsbereich markieren nun Magnete mit den Namen der Mitarbeitenden, wer sich gerade in welchem Raum aufhält. Auch auf die Stationen Homeoffice, Dienstreise oder Urlaub lassen sich die Magnete verschieben. „Das funktioniert bislang sehr gut“, sagt Thiele.
Überhaupt scheint das Projekt New Work im Deutschen Herold geglückt zu sein. Vor Kurzem hat Nicola Thieles Abteilung bei einem Teamtag reflektiert, wie es den Mitarbeitenden im neuen Arbeitsumfeld geht. „Es war sehr schön zu sehen, wie positiv die neuen Räume bei allen ankommen, wie wohl sich die Leute hier fühlen“, berichtet sie. Vor allem die Atmosphäre habe sich stark zum Positiven geändert. Das beobachtet Thiele auch bei sich selbst: „Ich gehe viel lieber ins Büro als früher, weil es mir hier so gut gefällt.“