Wieso bist du hier nach Bonn gekommen für deinen Master?
Ich konnte hier in Bonn Englische Literatur mit Fokus auf Renaissance und 16. Jahrhundert studieren, was mich sehr interessiert hat. Ich habe mich bereits in 2019 für ein Studium in Deutschland beworben, durch COVID hat der Prozess jedoch zwei Jahre gedauert und in Bonn bin ich glaube ich auch durch Schicksal gelandet, denn mir gefällt es hier sehr gut. Es ist sehr international und hat genau die richtige Größe.
Wie hast du dich gefühlt beim Umzug nach Bonn?
Anfangs hatte ich ein paar Bedenken, nach Bonn zu ziehen. Ich bin eher an das Leben in Großstädten gewöhnt, daher war der Umzug in eine kleinere Stadt für mich zunächst etwas ungewohnt. Aber als ich das starke Gemeinschaftsgefühl hier erlebt habe, hat sich meine Sichtweise geändert. Die Suche nach geeignetem Wohnraum als Studierende war aber eine Herausforderung, die aber offenbar in ganz Deutschland verbreitet ist. Es gibt insbesondere für internationale Studierende lange Wartelisten. Zusätzlich können Altersbeschränkungen den Prozess weiter erschweren. Zwar gibt es online zahlreiche Angebote und Ressourcen. Aber es gestaltet sich für eine Studierende aus dem Nahen Osten als herausfordernd, auch Besichtigungstermine zu bekommen oder akzeptiert zu werden. Ich fand es frustrierend, dass offenbar bestimmte Bevölkerungsgruppen den Vorzug erhalten.
Dein Theaterstück hat einen Preis beim Festival of European Anglophone Theatrical Societies (FEATS) gewonnen: Was hat dich dazu inspiriert?
Das Stück erforscht das Konzept der Liminalität. Im Zentrum steht die Erfahrung, zwischen zwei Welten zu stehen und nicht vollständig in beide integriert zu sein. Dieses Thema wurde durch persönliche Erfahrungen und Beobachtungen inspiriert, insbesondere mit Blick auf die Erfahrung der Immigration und dem Gefühl der Entfremdung sowohl vom Heimat- als auch vom Aufnahmeland. Darüber hinaus zieht das Stück Parallelen zwischen diesem Gefühl des Übergangs und revolutionären Bewegungen, um die Unsicherheit und Fluidität solcher Zeiten hervorzuheben. Durch die Interaktion der Figuren mit abstrakten Konzepten wie Richtern, die Sicherheit und Freiheit symbolisieren, will das Stück die Bedeutung des menschlichen Lebens inmitten politischer Turbulenzen hervorheben. Der Wunsch nach einer friedlichen Welt, in der sich der Einzelne nicht ständig fehl am Platz fühlt unterstreicht die allgemeine Botschaft von Akzeptanz und Verständnis über Grenzen und Kulturen hinweg.
Ist die deutsche Berichterstattung objektiv, gerade in Bezug auf die Situation im Iran?
Man muss die Komplexität und die Nuancen im Iran berücksichtigen. Das wird in den deutschen Leitmedien und bei der Berichterstattung über den Iran oft übersehen. Kurz nach dem Tod von Jina Mahsa habe ich meine Familie in Istanbul besucht. Im Gespräch mit meiner Mutter kamen wir auf die Diskrepanz zwischen der Medienberichterstattung und der Realität vor Ort. Ja, es gibt Fälle von Polizeibrutalität und Unterdrückung. Aber es gibt auch das alltägliche Leben und die Widerstandsfähigkeit innerhalb der iranischen Gemeinschaften. Die Medien tendieren jedoch oft dazu, bestimmte Aspekte zu sensationalisieren, ohne ein vielschichtiges Bild der Situation zu bieten. Zum Beispiel kann das Kopftuch tatsächlich, als Instrument der Unterdrückung verwendet werden. Aber es ist Teil der tief verwurzelten kulturellen und religiösen Praxis für viele Menschen vor Ort.
Es allein auf ein Symbol der Unterdrückung zu reduzieren, ist eine problematische Vereinfachung. Für eine iranische Frau ist die Diskussion dieser Themen unglaublich komplex, und es erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung kultureller, religiöser und politischer Kontexte. Darüber hinaus verstärkt die Medienberichterstattung oft bestimmte Narrative, während sie andere vernachlässigt, was zu einem verzerrten Verständnis der Situation führt. Hin-
zu kommt, dass die globale Aufmerksamkeit oftmals nur sporadisch und inkonsistent auf solche andauernden Probleme blickt. Bei Betroffenen kann dies Gefühle der Machtlosigkeit verstärken. Letztendlich erfordert die Navigation durch diese Diskussionen einen ausgewogenen Ansatz, der die Vielschichtigkeit der Probleme anerkennt.
Hat das Stück direkten Bezug zur Jina-Revolution im Iran?
Nein, das Stück hat keinen direkten Bezug zur Jina-Revolution im Iran. Aber sie hat mich auf jeden Fall inspiriert. Im Stück werden reale Gerichtsfälle dargestellt. Aber selbst, wenn diese durch andere ersetzt werden würden, wäre die Aussage des Stücks noch dieselbe. Die soziale Bewegung im Iran passt ebenfalls zum Konzept der liminalen Räume und hat die Erzählung ebenfalls beeinflusst, wenn auch eher als Beispiel. Außerdem habe ich das Stück den tapferen Menschen im Iran gewidmet, die mutig kämpfen. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber am Ende des Stücks habe ich Tonaufnahmen von echten Menschen eingefügt, die fragen, wohin die Menschen nach ihrem Tod gehen, als Hommage an ihren Kampf. Dennoch habe ich darauf geachtet, dass das Stück eine breitere, zeitlose Bedeutung hat, die über spezifische Ereignisse oder Bewegungen hinausreicht.
Interview mit Pauline Acker und Gustav Mebs